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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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Gespräch nicht bei einem Stück Plundergebäck im Gefallenen Mann fortsetzen könnten.
    »Lieber steche ich mir eine Haarnadel durch die Zunge.«
    »Du kannst mich echt nicht ausstehen, was?«
    »Nicht nur dich. Ich bin unparteiisch, wenn du so willst – ich verachte alle Chromatiker gleichermaßen.«
    »Dann hat es wohl auch wenig Zweck, dich zu fragen, was in Rostberg vor sich geht? Was für ein Zusammenhang zwischen dir und Zane und Ocker und dem Verkauf der Farbmuster des Dorfes besteht?«
    »Nicht den geringsten.«
    »Das habe ich mir schon gedacht … und am Mittwoch bitte Hammel.« Amaranth kam uns entgegen, in ein Gespräch mit dem Colormann über die Verlegung der Pipeline vertieft. »Dazu Salat und kein Gemüse.«
    Amaranth nahm von meiner Anwesenheit mit einem Kopfnicken Notiz, während der Colormann mich mit einem freundlichen »Edward« begrüßte, worauf ich »Matthew« erwiderte, was Amaranth sehr beeindruckte.
    »Also gut«, sagte Jane, als sie vorbeigegangen waren. »Ein Gedicht. Und wer ist das Häschen?«
    Ich holte tief Luft.
    »Das Häschen, wie du sie zu nennen beliebst, ist eine Oxblood, Constance Oxblood, und ihr Vater leitet die Bindfadenfabrik in Jade-unter-der-Limone. Wir gehen seit einigen Jahren miteinander, und wir haben sogar schon … «
    »Sehe ich aus, als würde mich das interessieren?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Na, also. Die Einzelheiten deines hoffnungslosen Verlangens, deine Individualität auf dem Altar des chromatischen Aufstiegs zu opfern, langweilen mich. Lieber kämme ich kleinen Kindern Läuse aus den Haaren. Das ist spannender. Liebt ihr euch?«
    »Ich bin mir sicher, dass wir uns zu gegebener Zeit mit dem nötigen … «
    »Das heißt also nein.«
    »Ja«, antwortete ich mit einem Seufzer. »Sie braucht das Rot, und meine Familie braucht die gesellschaftliche Stellung.«
    »Klingt ja wahnsinnig romantisch! Hast du es ihr gesagt? Es würde die Verbindung auf eine geschäftliche Grundlage stellen, und du würdest ein kleines Vermögen sparen, all die Ausgaben für Blumen, Schokolade, Dichter und Gedichte.«
    »Sie weiß Bescheid. Eigentlich ist es nur ein Spiel. Außerdem ist der altfarbeingesessene Roger Marone eindeutiger Favorit – obwohl er über weniger Rot, Intelligenz und Charme verfügt. Hier«, sagte ich und gab ihr einen Brief, den ich entworfen hatte, »das könntest du als Ausgangsmaterial verwenden.«
    Rasch überflog sie das Geschriebene. »Was für ein Gefasel«, konstatierte sie. »Hättest du das wirklich so abgeschickt?«
    »Die Geschichte mit dem Caravaggio finde ich in Ordnung«, antwortete ich etwas betreten. »Und die Sache mit den Warteschlangen war mir wichtig zu erwähnen. Vielleicht sollte ich den Absatz über das Kaninchen streichen.«
    »Lauter Wörter ohne Sinn und Verstand«, sagte sie und fing an, im Gehen etwas auf die Rückseite des Briefes zu schreiben. Sie kritzelte etwas hin, strich es durch, schrieb es um, wie ein Künstler, der ein Porträt entwirft. Sie sah zauberhaft aus, und das lag nicht allein an ihrer Nase. Ihr Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, nur einige wenige lose Strähnen fielen ihr ständig in die Stirn. Immer wieder strich sie sie hinters Ohr, wo sie zwanzig Sekunden lang blieben, bevor sie erneut nach vorne rutschten. Von mir aus hätten wir das Dorf dreimal umrunden können, ich hätte ihr ununterbrochen zuschauen können und hoffte inständig, sie möge sich Zeit lassen beim Schreiben. Leider tat sie das nicht.
    Rouge meines Herzens, mit zweifarbigem Schicksal verschlungen
    Faden meiner Gedanken, konstant und rosig beglückt
    Band meines Gefühls, zu ewiger Freude geschwungen
    Zwirn meiner Zukunft, zärtlich zuneigend entrückt
    »Das ist – wunderschön«, murmelte ich.
    Auch wenn sich der Sinn nicht auf den ersten Blick erschloss, wurden in dem Gedicht doch die richtigen Wörter verwendet, einigermaßen lang und nicht allzu gebräuchlich. Außerdem hörte es sich intelligent an und spielte mit den Begriffen Zwirn und Band, was besonders Constance’ Mutter gefallen würde. Ich hätte das niemals hinbekommen.
    »Soll das Gedicht an den Anfang des Briefes oder lieber ans Ende?«
    »Weder noch. Das Gedicht ist der Brief, Hohlkopf. Unterschreib einfach mit Tim oder Peter oder wie immer du heißt. Keine Grüße, keine Küsse und schon gar nicht solchen Stuss wie ›mein Herz hat Sehnsucht nach dir, mein Schnuckelchen‹ oder so.«
    »Eigentlich heißt es Honigbärchen.«
    »Wie bitte?«
    »Ach nichts.

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