Grau - ein Eddie Russett-Roman
ganz schön sarkastisch sein.«
»Nicht nur manchmal.«
»Wie bist du heute Morgen nach Rostberg gekommen?«
Es war eine heikle Frage, aber Jane hatte mir ja versprochen, nicht wieder mit Fäusten auf mich loszugehen. Ihre Antwort war so nüchtern wie rätselhaft.
»Die Straße gehorcht mir aufs Wort.«
»Was?«
Sie ignorierte meine Nachfrage, und die Zeremonie näherte sich dem Ende.
»Willst du nicht was spenden?«
Ich hatte es nicht vorgehabt, sagte aber ja, doch, ich würde etwas geben, schon weil ich nicht als geizig gelten wollte. Ich legte die kleinste Münze, die ich finden konnte, in den mit ihrem vollen Namen Penelope Narzisse Schwefel, TO3 4RF beschrifteten Topf, der schon halb gefüllt war mit Kleingeld und nicht gerade wenigen Knöpfen.
»Da«, sagte ich. »Zufrieden?«
Ich redete mit mir selbst; Jane, ihrer Aufgabe entledigt, war in der Menge untergetaucht. Ich las mir noch mal das Gedicht durch. Es war das beste, das ich je gesehen hatte, und ich wünschte, sie hätte es an mich geschrieben und nicht für mich.
Ich ging zum Telegraphenamt und schickte Janes Gedicht an Constance. Mrs Blut war beeindruckt und beglückwünschte mich zu den niveauvollen Zeilen.
»Sie sind einfallsreicher, als Sie aussehen, junger Mann. Ich würde nicht so weit gehen und sagen, Ihre Constance könne von Glück reden, aber sie hätte es schlimmer treffen können.«
»Sehr freundlich«, sagte ich. »Ich muss nur in die richtige Stimmung kommen.«
Und dann, entgegen Janes Rat, fügte ich doch noch etwas hinzu: Ich lege am Sonntag meinen Ishihara ab. Alles Gute, Edward .
»Da«, sagte ich, reichte der Frau das ausgefüllte Telegrammformular und zählte das Geld ab, »damit ist Roger Marone ein für alle Mal aus dem Rennen.«
Ich ging nach nebenan in den Co-op, um für den Reispudding einzukaufen. Tommo stand hinter der Theke und schaufelte Reis für Carlos Fandango in einen Sack.
»Guten Tag, Edward«, sagte der Werkmeister und stellte noch eine leere Vanillepulverdose zum Nachfüllen auf die Theke. »Was hältst du von Imogens Infomappe?«
»Höchst beeindruckend«, sagte ich. »Besonders das Einradfahren.«
»Willst du sie deinem Freund schicken?«
»Wird erledigt, sobald ich dazu komme.«
»Ausgezeichnet.«
Er wandte sich Tommo zu. »Zieh alles von meinem Konto ab, Löffelpacker.«
Tommo bejahte, und sobald Carlos den Laden verlassen hatte, schlug er das Kontoführungsbuch auf und zog hinter seinem Ohr einen Bleistift hervor.
»Eine Dose Vanillepulver, ein Pfund Reis, eine Lammkeule, zwei Lakritzstangen.«
Er schlug das Buch zu, gab mir eine Lakritzstange und nahm sich selbst auch eine.
»Was der sich einbildet. Hat er ein Prozent Finderlohn angeboten?«
»Zwei Prozent.«
»Dann hat ihm wohl deine Nase gefallen. Wenn Dorian noch ein Fliederlila wäre und sechs Riesen rumliegen hätte, gäbe es vielleicht noch ein Happy End. Aber er ist nur ein Grauer und besitzt gerade mal drei Zehner, also wird es nicht dazu kommen. Da werden noch etliche Tränchen fließen. Hast du an einen bestimmten Purpurnen für sie gedacht?«
»Ich kenne nur Bertie Magenta bei uns zu Hause.«
»Den mit der Elefantennummer?«
»Genau den. Aber ich halte mich da raus. Fandango hat durchblicken lassen, Kaufinteressenten könnten sie im Wollgeschäft mal zur Probe nehmen.«
»Eine fantastische Verkaufsmasche«, sagte er voller Bewunderung. »Wenn ich so was höre, bin ich stolz, im Handel tätig zu sein.«
»Ich würde eher sagen, es ist gemein und widerwärtig. Würdest du das deiner eigenen Tochter antun?«
»Technisch gesehen ist es gar nicht seine Tochter. Wenn ich zwanzig Jahre lang die Tochter eines anderen Mannes großgezogen hätte, würde ich auch irgendwann meine Dividende einfahren wollen.«
Mit Tommo ließ sich darüber nicht diskutieren. Ich musste erkennen, dass hier jedes weitere Wort Zeitverschwendung war.
»Trotzdem, es gehört sich nicht. Es ist einfach nicht richtig.«
»Richtig oder falsch, das gibt es nicht«, sagte Tommo. »Für uns zählt nur das Regelbuch. Willst du eine Banane haben?«
»Nein, danke.«
»Warte mit deiner Entscheidung, bis du sie gesehen hast.«
Er fasste unter die Theke und holte eine ganz normale Banane hervor – in Farbe. Ein wundervoller dunkelgelber Ton, der absolut nicht der Norm entsprach. Es war eine der neuen »chromatisch autarken« Bananen, für die in dem Farbgeschäft in Zinnober schon geworben wurde.
»Wo kommt die denn her?«
»Der Regionalmanager für die
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