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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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die anderen einzuholen.
    Wir hielten uns an den leicht erkennbaren Verlauf der versunkenen Straße, die nach etwa fünfhundert Metern durch struppig abgeweidetes Heideland abfiel und in einen Wald ausgewachsener Eichen führte. Einige Bäume waren auf die Straße gestürzt, aber es war nicht weiter gefährlich.
    »Hier wären wir mit dem Ford auch noch durchgekommen«, sagte Tommo, der zu mir nach vorne gestoßen war.
    Die Straße machte eine ausladende Kurve und stieg dann eine leichte Anhöhe hinauf, wo wir, im Halbschatten einer Lichtung, auf eine verlassene Farmall-Raupe stießen, die wahrscheinlich mal für Rodungsarbeiten benutzt worden war. Hier hatte der Kampf zur Wiedereröffnung der Straße vor dreißig Jahren sein Ende gefunden, der Farmall war aufgegeben und der kleine Traktor im Rahmen einer der periodisch ausgerufenen Kleinen Sprünge Zurück durch Ackerpferde als Antriebskraft ersetzt worden. Damit war auch der Ansporn, die Straße offen zu halten, erlahmt. Ich machte mir eine Notiz in mein Schreibheft.
    »Also«, sagte ich zu Tommo, nachdem wir die Raupe hinter uns gelassen hatten, um einen Brombeerstrauch herumgegangen und wieder auf die Bahn der alten Straße gestoßen waren, »was ist los?«
    »Ich schulde dir wohl eine Erklärung.«
    »Was du nicht sagst«, erwiderte ich. »Ich wäre dir wirklich sehr dankbar.«
    »Du brauchst nicht gleich so sarkastisch zu sein.«
    »Jetzt sag schon, was machst du hier? Ich dachte, die meisten Foxes sind Feiglinge.«
    »Nicht die meisten. Alle«, antwortete er mit entwaffnender Offenheit.
    »Ich höre!«
    »Ach ja, richtig. Es war so: Wir sprachen über dein verrücktes Vorhaben, und ich denke, ich höre nicht recht, als Lucy ganz sentimental wird und meint, du wärst so tapfer und männlich. Courtland und ich sind dann auf eine Idee gekommen. Damit das hier keine Reise voll unaussprechlicher Schrecken und vor allem in den sicheren Tod wird, investieren wir doch lieber in ein paar Sicherheitsvorkehrungen und planen den Ausflug so, dass wir alle etwas davon haben. Wir haben uns kurz verständigt, und jetzt sind wir hier, Courtland, Violetta, ich und du.«
    »Und wo sind die Sicherheitsvorkehrungen?«
    »Das wirst du schon noch sehen.«
    Wir waren an ein Steinhaus am Straßenrand gelangt, dessen Inneres mit Dornensträuchern überwuchert war, in einer Ecke wuchs eine Buche. Neben dem Gebäude befand sich ein Toilettenhäuschen, eingestürzt, und unter der Schicht aus Dachfliesen, Streu und Moos konnte man die Reste eines Fahrzeugs erkennen. Das Metall war längst durchgerostet oder verätzt, nur alle Teile aus Plastik hatten sich erhalten, außerdem vier verschlissene Nylonreifen und ein Paar Scheinwerfer, die aussahen, als hätte man sie gestern weggeworfen. Etwas weiß Schimmerndes auf dem Boden stach mir ins Auge, und ich hob es auf: ein von der Sonne gebleichter Backenzahn. Er stammte eindeutig von einem Menschen, nur hatte jemand in die abgenutzte Oberfläche fein säuberlich ein Metallteil eingearbeitet. Ich schlug mit dem Zahn auf meine Handfläche, und das Metall fiel heraus. Es wog schwer und glänzte, und ich steckte es in meine Tasche.
    »Okay«, sagte Courtland, »bis hierher ist genug.«
    Die drei legten ihre Rucksäcke ab, Violetta und Courtland ließen sich auf den Boden fallen, Tommo stocherte mit einem Stock in einem grasüberwachsenen Erdhaufen. Das fast schon beiläufige Suchen nach Farbresten gehört zu den Betätigungen, die man bis ins Erwachsenenalter beibehält.
    »Ich würde vorschlagen, dass wir noch eine halbe Stunde weitergehen, bevor wir eine Pause machen«, sagte ich. »Wir wissen nicht, wie lange wir bis nach Hoch-Safran brauchen.«
    »Wir machen keine Pause«, sagte Courtland mit Entschiedenheit. »Wir gehen nicht weiter. Wir bleiben hier.«
    Tommo und Violetta sahen erst mich an, dann Courtland. Tommo hatte sich mal wieder selbst übertroffen.
    »Ist das die Sicherheitsvorkehrung?«, fragte ich. »Überhaupt nicht nach Hoch-Safran zu gehen?«
    »Die einfachsten Ideen sind immer die besten«, bemerkte Tommo mit einem Lachen. »Ich erkläre es dir. Wir vertrödeln den restlichen Tag. Wir werfen unsere Ausrüstung weg, und auch ein, zwei Schuhe, wir zerreißen unsere Kleider und torkeln zurück in die Stadt, wo wir unzusammenhängendes Zeug über Schwäne und Gesindel schwafeln. Wir werden als Helden gefeiert, wir sind einen Monat lang von jeder Nützlichen Arbeit freigesprochen und bekommen jeder siebenhundert Meriten. Wir gehen kein

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