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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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von dir abgeschrieben, und das, nachdem du sie von mir abgeschrieben hattest. Als ich zwölf war, hast du mich beim Wasserpolo beinahe ertränkt, nachdem wir eure Mannschaft geschlagen hatten, und als wir siebzehn waren, hast du mich nicht mehr für das Tennisteam der Gute-Laune-Messe aufgestellt, weil ich vermutlich gewonnen hätte. In demselben Jahr hast du mir Meriten abziehen lassen, weil ich in deiner Gegenwart keinen Knicks gemacht habe, obwohl ich gar nicht wissen konnte, dass du überhaupt da warst, weil ich nämlich nach einer Doppelschicht in der Fabrik eingeschlafen war. Wenn ich mal ausrechne, was über die Jahre so zusammengekommen ist«, fuhr Jane fort, »dann bist du allein für etwa ein Drittel meiner Strafmeriten verantwortlich, und damit für grob geschätzt fünf Monate meines Lebens, die ich für den Versuch gebraucht habe, das wieder auszugleichen.«
    »Diese Grauen!«, sagte Violetta nur Augen rollend zu mir. »Dass die immer alles so dramatisieren müssen.«
    »Wohlgemerkt«, gab Jane zurück, »ganz so undankbar sind wir ja gar nicht – das Bargeld, das du meinem Bruder für DasEine zahlst, stockt wenigstens unsere Essenskasse auf.«
    Tommo und Courtland hinten auf der Ladefläche unterbrachen ihr Gespräch und wandten ihre Aufmerksamkeit uns zu.
    »Guckt mal!«, sagte ich schnell und zeigte auf einige Sprungziegen, die mit weiten Sprüngen durch das verstrüppte Außenfeld hüpften. »Wie die laufen können!«
    Mein Versuch, Violetta und Jane abzulenken, scheiterte.
    »Was soll daran falsch sein, sich aufs Beste für seinen Ehemann vorzubereiten«, setzte Violetta, die sich durch Janes Indiskretion tief getroffen fühlte, den Disput fort. »Aber jetzt, da ich bald heirate«, sagte sie und klopfte mir auf die Schulter, »muss er seine Ware woanders anpreisen. Ich wünsche ihm viel Glück, er hat profitiert von meinem fachlichen Wissen.«
    Janes Lachen war von solcher Verachtung, dass man es ihr innerhalb der Außenmarkierungen als Unverschämtheit angekreidet hätte. Hier war es lediglich Teil des Geplänkels, wie du mir, so ich dir.
    »Was gibt es da zu kichern?«, wollte Violetta wissen.
    »Du willst Expertin in DemEinen sein? Die traurige Wahrheit ist, dass Clifton dir nur gutes Feedback gegeben hat, um sich das Geschäft nicht zu verderben. Er hat mir gesagt, du wärst aus reinem Eigennutz zu ihm gekommen.«
    Ein Schweigen trat ein, dumpf und eklig, und ich spürte förmlich Janes Schadenfreude.
    »Unsinn«, entgegnete Violetta, deren Hang zum Selbstbetrug sich nach kaum einer Sekunde des Zweifels bereits wieder meldete. »Ich wüsste nicht, warum er dich belügen sollte, und auch nicht, inwiefern sein Nebenerwerb ein geeignetes Tischgespräch bei Grauen abgeben könnte. Aber wir können die Angelegenheit auch gleich hier ein für alle Mal klären. Eddie, Darling, sag doch Jane, wie fantastisch ich heute Morgen war.«
    Ich schloss die Augen, und mir wurde flau. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Mein einziger Trost: Ich hatte an Jane gedacht, als es passierte, aber das war wohl nicht die beste Entschuldigung.
    »Na?«, sagte Violetta.
    »Ja«, setzte Jane nach, ihre Stimme eine Mischung aus Wut und unterdrückter Verletzung. »Sag schon. Wie war es?«
    »Hör zu«, wandte ich mich an Violetta. »Ich bin nicht dazu da, dir jedes Mal, wenn dich jemand kritisiert, öffentlich Feedback zu geben.«
    »Ach, tatsächlich?«, antwortete sie, und ihre Stimme schlug ins Schrille um. »Wozu bist du sonst da? Zu einer Ehe gehören zwei, die als Einheit auftreten und das machen, was der Höherfarbwertige von beiden verlangt. Hat dir deine Mutter denn gar nichts beigebracht?«
    »Bestimmt hätte sie mir beigebracht, wie wahnsinnig herrschsüchtig höherfarbwertige Mädchen sein können«, sagte ich, »doch dann bekam sie den Mehltau und muss es vergessen haben.«
    »In dieser Ehe bin ich diejenige, die die bitteren Witze reißt«, entgegnete Violetta. »Du bist der ewig leidende Ehemann, der seine Frau in stiller Demut unterstützt.«
    »Wie schön, dass wir das geklärt haben. Sollen wir es ins Eheversprechen aufnehmen?«
    »Werd nicht frech, Russett. Du kannst dir aussuchen, ob ich herrschsüchtig bin oder dir das Leben fünfzig Jahre lang zur Hölle mache. Glaub mir, mit meiner Herrschsucht fährst du besser.«
    Danach verfielen wir in Schweigen, und begleitet von einer Kakophonie aus Brummen und Rattern, Quietschen und Stöhnen kroch der altersschwache Ford langsam einen Berg hinauf. Ich sah

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