Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
Vom Netzwerk:
verrückt«, sagte ich.
    »Ach, sei still, Edward«, entgegnete Violetta, »diese lustige Spritztour kommt doch wie gerufen, um unsere Beziehung zu vertiefen. Wenn wir die Schrecken der Straße erst mal gemeinsam gemeistert haben und siegreich aus dem Kampf hervorgegangen sind, können wir uns in Ost-Karmin als gemachtes Paar feiern lassen.«
    »Es gibt dreiundachtzig Menschen, die etwas gegen diesen Plan einzuwenden hätten – falls sie noch sprechen könnten.«
    »Was bist du nur für ein Griesgram«, sagte Courtland. »Mach dir nicht ins Hemd, und beruhige dich. Wo sollen wir uns eigentlich mit Fandango treffen?«
    »Hier. Aber er ist spät dran.«
    Wie zum Beweis des Gegenteils war plötzlich der Lärm eines sich nähernden Fahrzeugs zu vernehmen, und hinter dem Flakturm kam der Ford um die Ecke gerumpelt. Aber es war nicht die Limousine, es war Ost-Karmins zweitbestes Automobil, der heruntergekommene Pritschenwagen, allerdings ohne die schwere Armbrust. Und am Steuer saß auch nicht Fandango – sondern Jane. Erst hüpfte mir das Herz vor Freude, doch gleich danach verlor ich wieder jeden Mut. Ich freute mich, dass sie hier war, andererseits wollte ich nicht, dass sie erfuhr, was heute Morgen zwischen mir und Violetta geschehen war. Falls Jane, wie Stafford angedeutet hatte, tatsächlich etwas für mich übrig hatte, dann wäre sie sicher wenig begeistert, zu erfahren, dass ich mit Violetta DasEine vollzogen hatte.
    »Wo ist Fandango?«, fragte Tommo.
    »Irgendein blöder Trottel hat Bunty mit einem Trick in den Zug gelockt«, berichtete Jane. »Er muss sie mit dem anderen Ford in Blaustadt abholen. Ist das ein Problem für dich?«
    Courtland und Tommo wechselten vielsagende Blicke.
    »Und wo bleibt der Ersatzfahrer?«, fragte Tommo.
    »Clifton hat sich krank gemeldet«, antwortete Jane. »Rosie hat einen kaputten Fuß, und Sandy habe ich nicht erreicht. Deswegen habe ich den Dienst übernommen. Widerwillig.«
    Sie sah mich die ganze Zeit nicht an, und ich musste innerlich lachen. Sie hatte ihre Meinung geändert. Sie war meinetwegen gekommen, kein Zweifel.
    Ich nahm in der Fahrerkabine Platz, eingekeilt zwischen Jane und Violetta, während Tommo und Courtland sich auf der Pritsche einrichteten. Ohne ein weiteres Wort fuhren wir los, die westliche Straße entlang, vorbei am Flakturm, der ruhenden Linoleumfabrik und dem Bahnhof. Nach wenigen Minuten hatten wir das Viehgatter in der Grenzmauer erreicht, fuhren hindurch und hielten fünfhundert Meter weiter unmittelbar vor den Außenmarkierungen und dem Abdruck der Giraffe an.
    Courtland, Tommo und ich nahmen unsere Krawatten ab, rollten sie sorgfältig auf und steckten sie in unsere Taschen. Violetta löste die Schleife, die sie im Haar trug, und band sich damit einen lockeren Pferdeschwanz. Hier draußen würden uns keine Präfekten begegnen, und wenn wir auf dem Rückweg die Grenze passierten, konnten wir Krawatten und Schleife wieder anlegen.
    Auf der glatten Fahrbahn dahinter nahm der Wagen Fahrt auf, und wir schwiegen uns weiter an. Ich wollte kein Gespräch mit Violetta beginnen, damit sie sich nicht noch vor Jane verplapperte und die Katze aus dem Sack ließ, und mit Jane wollte ich mich nicht unterhalten, weil dann alle gleich gewusst hätten, dass zwischen uns eine Art Einverständnis herrschte. Aber ich konnte auch nicht nur dasitzen und keinen Ton von mir geben, deswegen fragte ich Jane, wie weit es bis zur Kahlen Landspitze sei.
    »Eine knappe Stunde, wenn wir gut vorankommen.«
    »Wie geht es dir, Jane?«, sagte Violetta. Sie wollte sich freundlich, ja großmütig geben.
    »Wenn du deine übercolorierte Klappe halten würdest, ginge es mir besser.«
    Instinktiv öffnete Violetta den Mund, um zu protestieren, besann sich jedoch eines Besseren, als ihr klar wurde, wo wir uns befanden. Jenseits der Außenmarkierungen waren alle Regeln von Buch 106 an aufwärts null und nichtig. Jane konnte sagen, was sie wollte. Natürlich sagte Jane auch innerhalb der Außenmarkierungen, was sie wollte, aber hier draußen durfte sie nicht dafür belangt werden.
    »Das war absolut unangebracht!«, sagte Violetta. »Womit habe ich diese Unfreundlichkeit verdient? Was habe ich dir getan?«
    »Was du mir getan hast? Ich zähle nur mal die Höhepunkte auf, ja?«, erwiderte Jane. »Als ich fünf war, hast du mich in eine dreckige Pfütze gestoßen und hinterher behauptet, ich hätte dich geschlagen. Als ich acht war, hast du Miss Bluebird gesagt, ich hätte die Hausaufgaben

Weitere Kostenlose Bücher