Grau - ein Eddie Russett-Roman
tauschen. Und Zane hat sich ein falsches Farbkennzeichen angesteckt, damit keine unnötigen Fragen gestellt werden. Ich habe die Perpetulitbahn dazu gebracht, ihn überall herumzuschicken. Wir sind sogar in Nachbarsektoren ausgewichen, um jeden Verdacht von uns abzulenken.«
»Ist das der Grund, warum in Rostberg alle mit Mehltau infiziert wurden?«
»Ja«, sagte sie mit leiser Stimme, »das Dach wurde allmählich fertig, und die Arbeiter haben unzusammenhängende Bruchstücke der Boten entdeckt. Sie wurden als Pukas gemeldet, und das System hat Maßnahmen ergriffen, um sich zu schützen.«
Es entstand eine Pause.
»Das also bedeutet Aufklärung«, sagte ich mit ruhiger Stimme. »Du hast gesagt, für Leute wie mich sei der Zustand der Unwissenheit das Beste und Bequemste.«
»Kann gut sein, dass das immer noch zutrifft. Aber was ich dir sagen wollte: Es tut mir leid.«
Ich blieb stehen. Wir befanden uns noch immer auf dem schmalen sicheren Areal zwischen dem Einzugsbereich zweier mittelgroßer Yateveos. Ich hatte mich schon mal in so einer Situation mit ihr befunden, und mir wurden die Knie weich. Eigentlich, dachte ich, waren wir jetzt doch gut miteinander ausgekommen. Ich wandte mich ihr zu, und sie sah mich reumütig an.
»Muss das sein?«, fragte ich sie.
»Ja. Und es tut mir unendlich leid.«
Sie schlang ihren Fuß um mein Bein und hatte mich in Sekundenschnelle aus dem Gleichgewicht gebracht. Mit einem dumpfen Aufschlag landete ich auf dem Boden, und dann hörte ich so etwas wie einen Peitschenknall. Ich schrie auf vor Schmerz, als eine Liane sich um mein Bein wickelte und eine zweite sich meines Arms bemächtigte. Ich spürte, wie ich in die Luft gehoben wurde und der Boden und Jane sich rasend schnell von mir entfernten. Ich glaube, sie winkte mir zum Abschied.
Heimweg
2.6.23.02.935: Das Halten von Haustieren ist nicht erlaubt.
Da bin ich also nun gelandet, kopfüber in einem Yateveo. Ich lasse die Ereignisse der vergangenen vier Tage Revue passieren und frage mich, wie ich nur so blöd sein konnte, die endlos vielen Gelegenheiten, die sich mir geboten hatten, um diesem Schicksal zu entgehen, verstreichen zu lassen. Wie die meisten Leute fürchte ich nicht den Tod, wohl aber Schwäne, Reboot, soziale Bloßstellung und Verluste. Den Verlust meines Vaters, den Verlust von Jane, doch am meisten bedaure ich, dass mir die sich anbahnende Verpflichtung genommen wurde. Nicht die chromatische Verpflichtung wohlgemerkt, sondern die gegenüber der echten und einzigen Wahrheit und Gerechtigkeit, tiefer und größer als tausend Regelbücher. Ich hatte Aufklärung erlangt, und ich hatte ein Ziel vor Augen gehabt, und beides hatte ich wieder verloren. Dennoch, es war meins gewesen, mein Eigen, wenn auch nur für kurze Zeit.
Es wurde dunkel. Ich meine nicht die Dunkelheit, die ohnehin schon in dem Yateveo herrschte, sondern eine allumfassende Dunkelheit, schwärzer als die Nacht, doch ohne Tiefe, ohne Zeit. Aus und vorbei. Wenn ich berichten soll, wie der Tod ist, kann ich es mit einem Wort sagen: Farblos. Das war es also.
Oder doch nicht? Nach einer gewissen Zeit, es mochten wenige Sekunden oder ein ganzes Jahrhundert gewesen sein, erblickte ich einen Spalt schwachen Lichts, der sich vor mir auftat. Im ersten Moment glaubte ich, ich würde wiedergeboren, einem anderen Elternpaar, irgendwo in einem anderen Sektor – und lange, sehr lange nachdem ein in Vergessenheit geratener Edward Russett bei einer Wertgutexpedition am Ende der Welt verschollen war.
Ich wurde nicht wiedergeboren. Ich blieb ganz der Alte und rutschte, hustend und sabbernd, durch einen Riss im Verdauungspansen des Baums nach draußen. Jemand stülpte seinen Mund über meine Nase und saugte die Flüssigkeit heraus, und nachdem ich eine Magenfüllung Pampe erbrochen hatte, schlug ich die Augen auf. Das Erste, was ich sah, war Jane, die mich mit sorgenvoller Miene anstarrte. Wir saßen am Fuß des Baumstamms, und Jane hielt noch das Gemüsemesser in der Hand, mit dem sie den Pansen aufgeschlitzt hatte. Der Yateveo machte noch einige halbherzige Fangversuche in unsere Richtung, konnte uns aber nichts mehr anhaben.
»Puh!«, sagte sie und steckte mir einen Finger ins Ohr, um es sauberzumachen. »Du stinkst!«
Ich musste mich wieder übergeben, und sie reichte mir ihre Wasserflasche.
»Zum Ausspülen.«
Ich nahm einen Schluck und spuckte den Rest der ekligen glibberigen Flüssigkeit aus.
»Es hat ganz schön lange gedauert, bis zum Pansen
Weitere Kostenlose Bücher