Grau - ein Eddie Russett-Roman
Platz an der Hohen Tafel der Präfekten. Ist euch klar, wie widerwärtig und nouveau couleur das wäre?«
Selbst Tommo bekam jetzt Zweifel.
»Ich bin ja immer dafür zu haben, Violetta auf die Füße zu treten«, sagte er zu mir. »Wirklich, aus Überzeugung. Aber dieser Vorschlag kann doch nur eine Masche von dir sein, oder? Du forderst mehr Geld, weil sie dich zum Absamen verführt hat. Wenn das so ist, dann musst du zuerst mit mir reden, ich verhandle dann neu mit der Familie von der Malve. Wir könnten die Summe auf zwölf Riesen hochtreiben, aber irgendwann ist auch für die von der Malves Schluss.«
»Schließ nicht von dir auf andere, Tommo. Ich will Violetta nicht heiraten, ich will Jane heiraten. Ich finde, man sollte heiraten dürfen, wen man will. So einfach ist das.«
»Und was wird aus meiner fantastischen Eheliga?«, fragte er. »Kannst du dir vorstellen, wie schwer ich dafür geschuftet habe?«
»Deine blöde Liga kann mir gestohlen bleiben«, unterbrach Violetta. »Aber was ist mit unserem Kind, Russett? Willst du wirklich, dass es als Dougs Kind aufwächst?«
»Du hast mich hereingelegt. Und wenn du das öffentlich machst, sind die von der Malves als Präfekten erledigt. Deine Familie müsste ganz unten bei Grau anfangen und sich hocharbeiten, bevor sie wieder als Präfekten eingesetzt würden.«
Violetta verstummte, tief in Gedanken versunken. Ich hatte die Wahrheit gesagt. Mein Vater und ich würden für unseren Anteil an dem Komplott auch gehörig eins aufs Dach bekommen, doch die von der Malves hatten weitaus mehr zu verlieren.
Als wir den ersten Staudamm erreichten, versank die Sonne hinterm Horizont, und in den zehn Minuten Restlicht zum Navigieren, die uns noch verblieben, würden wir es nicht mehr bis nach Hause schaffen. Jedenfalls nicht mehr heute Abend. Es würde eine kalte, einsame Nacht für uns werden, zusammengekauert in der Kabine, noch verschlimmert durch Violetta, die bis in die frühen Morgenstunden lautstark jammern und klagen würde.
»Hey«, wandte sie sich jetzt überraschend eine neue Volte schlagend direkt an Jane. »Möchtest du meine Freundin werden? Ich habe viele Freunde. Es gibt sogar welche, die behaupten, ich hätte mehr Freunde als alle anderen im Dorf.«
»Ich kann gut auf deine Freundschaft verzichten, Miss Violetta.«
Violetta sah sie groß an.
»Dann kaufe ich ihn dir eben ab«, sagte sie ungestüm. »Wie viel verlangst du für ihn?«
»Er ist nicht zu kaufen. Für keinen Preis.«
»Ich könnte dir einen gemütlichen Job in der Linoleumfabrik verschaffen.«
»Ich werde die Frau des Roten Präfekten sein«, entgegnete Jane kühl. »Glaubst du, ich wäre dann noch auf einen Fabrikjob angewiesen?«
»Du überschätzt dich«, sagte Violetta, ihre Stimme klang schrill. »Du bist schrecklich arrogant. Nur weil du meinst, du hättest eine schönere Nase als ich.«
Jane wandte sich ihr zu.
»Ich meine nicht nur, dass ich eine schönere Nase habe als du. Ich weiß, dass ich eine schönere Nase habe als du. Wenn die willkürliche Aufspaltung des Kollektivs nicht auf der Farbsicht beruhen würde, sondern auf der Qualität der Nasen, wäre ich Oberpräfektin.«
»Und wenn sie auf Unehrlichkeit und Intrigenhaftigkeit basieren würde«, setzte ich noch einen drauf, »dann wärst du es, Tommo.«
»Und wenn auf Selbstgerechtigkeit, Blasiertheit und Aufgeblasenheit«, ergänzte Tommo, »dann wärt ihr es in trauter Zweisamkeit.«
Wir setzten die Fahrt schweigend fort, keiner hatte den anderen noch etwas zu sagen, und als wir uns dem Sumpfgebiet näherten, in dem wir heute Morgen die Flamingos gesehen hatten, erlosch das Licht zwischen den Talwänden abrupt. Vor uns tat sich eine bedrohliche Mauer aus undurchdringlicher Dunkelheit auf. Jane bremste ab, und der Ford kam nach der langen, rasanten Fahrt schließlich zum Stehen. Den Himmel konnten wir noch erkennen, doch alles unterhalb der Umrisslinie der Bergkette verschwamm zu einer wabernden Düsternis, die sich zu kräuseln schien und zu tanzen anfing, als unsere Augen versuchten, ihr eine Gestalt zu geben. Ich hörte Violetta schimpfen, dann machte sie irgendeine Bemerkung, ihre Eltern wären sicher ganz krank vor Sorge. Doch eins stand fest, ohne künstliches Licht würden wir nicht weiterkommen, jedenfalls nicht, ohne dass Jane sich verriet.
»Hast du nicht eine von den Glühbirnen aus dem Flakturm mitgenommen?«, fragte ich Tommo.
»Jemand hat mich in die Seite getreten«, kam eine verdrießliche Stimme
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