Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
Vom Netzwerk:
aus der Dunkelheit. »Da stand mir nicht der Sinn nach Glühbirnen.«
    »Ich finde, wir sollten singen«, schlug Violetta nach einer Pause vor.
    »Bevor du anfängst zu singen, nehme ich es lieber mit der Dunkelheit auf«, konterte Tommo, und sofort lagen sie sich wieder in den Haaren.
    »Amaranth hat mir drei Handfackeln mitgegeben«, fiel mir plötzlich wieder ein, und ich wühlte in meiner Tasche. »Jede brennt fünf Minuten. Damit könnten wir bis zu dem Teil des Staudamms kommen, der dem Dorf am nächsten und in Sichtweite liegt. Sie werden nach uns Ausschau halten, und wenn sie das Licht sehen, wissen sie wenigstens, dass wir wohlauf sind. Wer will als Erster?«
    Violetta meinte, wir sollten lieber hierbleiben und die Fackeln dazu benutzen, um Pukas, Gesindel und Bissige Nachtaktive Tiere abzuwehren. Jane war unbedingt dafür, weiterzufahren, und Tommo kümmerte das alles nicht mehr, so oder so. Ich nahm daher meine und Janes Meinung als Mehrheitsmeinung. Vorsichtig tastete ich mich zur Vorderseite des Pritschenwagens, hockte mich auf die Stoßstange und entzündete die erste Fackel. Funken spuckend erwachte sie zum Leben, und bei dem mageren Licht, das kaum zehn Meter weit reichte, setzten wir uns in Bewegung. Es ging nur langsam voran, aber als die erste Fackel abgebrannt war und ich die zweite entzündet hatte, waren wir immerhin bis zu der kaputten Brücke gekommen. Als auch die zweite Fackel erloschen war, ohne dass wir die andere Seite des Staubeckens erkennen konnten, war ich nicht mehr so begeistert von der Idee. Und als ich die dritte und letzte entzündete, war die Spannung im Auto schmerzlich zu spüren.
    Eine Minute vor Erlöschen der letzten Fackel sah ich einen winzigen weißen Lichtpunkt in der Ferne. Zuerst hielt ich ihn für die Straßenlaterne, aber so weit würde der Lichtschein nicht reichen, und als wir näher kamen, stellte ich fest, dass es sich um eine andere Fackel handelte, viel größer als unsere, die in einem Umkreis von hundert Metern ein flackerndes Licht ausstrahlte und dabei ein rachitisches Zischen und einen ätzenden weißen Rauch absonderte. Fackeln und Leuchtraketen wurden selten eingesetzt, und wenn, dann nur um ein wertvolles Mitglied des Kollektivs, Courtland und Violetta zum Beispiel, der Nacht zu entreißen.
    Wir schlossen auf, als auch meine letzte Handfackel erstarb. Ich konnte sehen, dass die Fackel nicht mehr lange brennen würde, deswegen hangelten wir uns weiter vor bis zur nächsten und dann bis zur übernächsten. Auf diese Weise erreichten wir schließlich das Viehgatter, fuhren vorbei an der Linoleumfabrik und kamen in den Lichtkegel des Hauptlaternenmastes, wo bereits die versammelten Präfekten und die meisten Dorfbewohner auf uns warteten.
    Als die anfängliche Freude und Erleichterung abklangen, wurde Courtlands Fehlen bemerkt.

Sonntagmorgen
    2.6.02.13.057: Jeder Bewohner legt in seinem zwanzigsten Lebensjahr den Ishihara-Test ab.
    Die Sonne stand hoch, als ich erwachte. Ich blieb im Bett liegen und dachte an die Besprechung gestern Abend, die sich bis zur Nachtruhe hingezogen hatte. Mein detaillierter Bericht, warum jeder Plan zur Gewinnung von Farbresten undurchführbar war, traf auf Verärgerung und Bestürzung, aber wirklich überrascht war niemand. Zu meiner Erleichterung war der Rat derselben Ansicht. Da es sich schon vor zweihundert Jahren, als es Ford Pritschenwagen und Traktoren noch im Überfluss gab, als unpraktikabel erwiesen habe, müsse man wohl akzeptieren, dass es heute sicher nicht viel anders sei.
    Violetta, und in geringerem Maß auch Tommo, wurden schwer dafür getadelt, dass sie wegen so eines tollkühnen Abenteuers ihre Zivile Verpflichtung aufs Spiel gesetzt hatten; den Betrug, den sie geplant hatten, erwähnten sie mit keinem Wort. Wenigstens darauf hatten sich die beiden verständigt, wenn sie auch sonst nicht viel gemein hatten. Danach galt die Aufmerksamkeit Courtland und unserer Darstellung der Ereignisse, die zu seinem Tod geführt hatten. Die Reaktion fiel unterschiedlich aus, Erschütterung, Trauer, schließlich akzeptierte man es bis zu einem gewissen Grad, empfand sogar eine Art reuevollen Stolz, dass er sein Leben geopfert hatte, um meines zu retten. Mit tränenreichen Worten bedankte ich mich bei Mrs Schwefel, und Bunty McMostrich wurde zur Stellvertretenden Gelben Präfektin ernannt.
    Ich wollte gerade aufstehen, da fiel mir ein, dass ich eigentlich gar nichts zu tun hatte, keine Arbeit, keine Aufgaben, also legte ich

Weitere Kostenlose Bücher