Graue Schatten
heute müssen Sie ausnahmsweise einmal nicht nach Lauffen fahren, oder? Es gibt doch hier genug zu tun: Die Kontobewegungen dieses Herrn Sausele überprüfen, Linde und Kovalev noch mal verhören.“ Bacchus zwinkerte Strobe unauffällig zu.
Strobe zuckte mit den Schultern. Waren da Gewissensbisse eines Vorgesetzten zu erkennen, der erkannte dass er seine Mitarbeiter verschliss?
„Wir müssen noch absprechen, mit welchen Happen wir die Presse füttern“, wandte sich Bachmüller an den Staatsanwalt. Mit einem unmittelbar nachfolgenden Blick zu Strobe und Schell teilte er den beiden gleichzeitig mit, dass die Besprechung beendet war.
Die Kommissare verabschiedeten sich von Jung und gingen in ihr eigenes Büro, nebenan.
„Ein bisschen mehr Anerkennung hätte ich mir schon erhofft“, meinte Schell auf dem Flur. „Vielleicht in Form eines freien Tages, nächstes Wochenende.“
„Wovon träumst du denn?“, entgegnete Strobe und schwenkte unvermittelt in die Realität hinüber: „Pass auf, ich rede jetzt noch mal mit Linde. Ich will wissen, ob er vielleicht doch die Richter bedrängt hat, und ob das Ganze ein Denkzettel für ihn sein sollte. Du versuchst inzwischen, die Kontobewegungen zu checken. Wenn's geht, erst mal ohne Sausele einzuweihen. Kriegst du das hin?“
Schell wiegte den Kopf und sagte: „Zumindest die Geschäftskonten habe ich gleich raus, seine Firma hat eine Website. Da stehen die Bankverbindungen drin. Nur für die Privatkonten müsste ich halt die ganzen Banken in der Gegend abtelefonieren. Ich häng mich gleich an die Strippe.“
„Kann sein, dass sie kein Fax akzeptieren. Dann müssen wir hinfahren und mit der Anordnung wedeln. Aber versuch's erst mal so. Ich bin in einer halben Stunde wieder da.“
Strobe machte sich auf den Weg in den Sicherheitstrakt, wo Kevin Linde nun schon den dritten Morgen in seiner Zelle aufgewacht sein dürfte. Wieso hat der eigentlich noch keinen Anwalt?, fragte sich Strobe.
Larissa drehte sich um und zog sich die Bettdecke über die Ohren. Blöder Traum! Sie lag am Strand und der Wecker klingelte. Im Halbschlaf drehte sie sich wieder in Richtung Nachtschränkchen. Der Wecker zeigte kurz vor zehn.
Sie hatte heute Spätdienst. Und den Wecker hatte sie garantiert nicht aktiviert. Vorsichtshalber schlug sie trotzdem drauf.
Aber es klingelte immer noch.
Das Telefon!
Schlaftrunken torkelte sie ins Wohnzimmer. Wer war das? War in der Frühschicht jemand ausgefallen und sie brauchten Hilfe? Das war das Nächstliegende. Wo war das blöde Mobilteil? Auf dem Tisch natürlich!
Mürrisch nannte sie ihren Nachnamen. Dann rief sie erfreut: „Anna!“
Doch sogleich runzelte sie wieder die Stirn. Es schluchzte aus dem Hörer.
Sie hörte eine Weile zu und sagte dann: „Willst du vorbeikommen?“
Und nach weiterem Wimmern am linken Ohr: „Also komm vorbei! Wir frühstücken zusammen und du kannst mir alles erzählen ... egal, ... komm her ... also, bis dann.“
Larissa hatte praktisch nichts verstanden, außer dass etwas passiert war, das mit dem Sonnenweiß und der Polizei zu tun hatte.
Sie ging ins Bad, stellte sich zwei Minuten unter die Dusche, machte Kaffee und deckte anschließend den Tisch. Als sie fertig war, klingelte es auch schon an der Tür. Anna stand mit einem Beutel Brötchen in der Hand da. Sie hatte verheulte Augen.
Sie setzten sich und Larissa schenkte Kaffee ein.
„Bist du noch krankgeschrieben?“, fragte sie.
Anna nickte nur.
„Willst du nichts frühstücken?“, fragte Larissa. „Jetzt hast du Brötchen mitgebracht ...“
Plötzlich bekam Anna wieder einen Weinanfall. Larissa setzte sich neben sie und nahm sie in den Arm. Die ist ja total fertig, dachte sie. Larissa musste wieder mal trösten, obwohl es ihr selber nicht gerade blendend ging.
Nach einer Weile, als sie sich wieder beruhigt und Larissa noch einmal gefragt hatte, was passiert sei, begann sie zu erzählen.
„Ich hätte neun Uhr in Heilbronn bei der Polizei sein müssen. Ich bin aber nicht hingegangen.“
„Hattest du eine Vorladung von der Kripo?“, wollte Larissa ihre Vermutung bestätigt wissen.
Anna nickte.
„Du musst da nicht hingehen. Und wenn du krank geschrieben bist, schon zweimal nicht!“, behauptete sie einfach.
„Aber ich will zur Polizei. Ich will Locke anzeigen“, presste Anna heraus. „Aber das ist alles so kompliziert.“
Locke also. Larissa hatte es geahnt.
„Wofür willst du ihn anzeigen?“, fragte sie.
„Wegen Belästigung oder
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