Graue Schatten
erkundigt, zweieinhalbtausend Euro holte das Sozialamt jeden Monat von ihm zurück. Die Mutter war früher Hausfrau gewesen und bekam fast keine Rente, nur dreihundertfünfzig Euro Witwenrente etwa.“
„Sie meinen, Sausele könnte den Mord an seiner Mutter in Auftrag gegeben haben?“, fragte Jung nun prompt.
„Der Hausarzt hat Frau Sausele nach einer Operation noch ein langes Leben bescheinigt. Und der Sohn hatte Kontakt zu allen Verdächtigen, einschließlich des Straftäters Juri Kovalev“, antwortete Strobe wieder indirekt.
„Motiv Geldgier“, bemerkte Jung nachdenklich.
„Gut, das ist nichts, was ich nachher der Presse präsentieren kann, aber wir sollten dem nachgehen“, sagte der Chef und fragte: „Ausführender des Auftragsmordes wäre dann Linde? Oder Juri, oder wer? Weshalb sollte einer von ihnen so etwas für Sausele tun?“
„Bei Linde wüsste ich keinen Grund. Aber so einer wie Juri Kovalev hätte das sicher für Geld gemacht“, schlug Strobe vor.
„Das würde bedeuten, dass Geld geflossen sein muss. Man müsste Sauseles Kontobewegungen überprüfen“, sagte Bacchus in Richtung Jung.
Auch Strobe blickte den Staatsanwalt erwartungsvoll an. Bacchus war schon dort, wo der Hauptkommissar ihn hinhaben wollte. Jetzt musste nur noch Jung anbeißen.
„Geht in Ordnung“ sagte der Staatsanwalt. „Ich unterschreibe Ihnen das, auch wenn die Version mir unwahrscheinlich erscheint. Man kann die Konten ja diskret überprüfen.“
„Das müsste Formular KO/3 sein.“ Der Chef drehte sich mit seinem Sessel zum Wandschrank und zog den Zettel heraus. „Ordnung ist das halbe Leben“, dozierte er, legte das Blatt auf den Tisch, füllte es eilig aus und schob es dem Staatsanwalt hin. Jung musterte das Formular kurz und kritzelte seinen Servus in das vorgesehene Kästchen.
„Danke. Dann könnt ihr das nachher gleich machen, während wir uns mit der Presse rumärgern.“ Der Chef reichte Strobe die Anordnung.
„Noch andere Vorschläge oder Thesen?“ fragte Jung, eher ironisch.
Bachmüller schaute auf die Uhr. Keiner hatte einen weiteren Vorschlag. Strobe trank einen Schluck lauwarmen Kaffee. Seine Tasse hatte bis jetzt noch unangerührt vor ihm auf dem Schreibtisch des Chefs gestanden.
„Gut, der jetzigen, äußerst dürftigen Beweislage nach ist Kevin Linde immer noch unser Hauptverdächtiger“, resümierte der Staatsanwalt. „Linde hatte naturgemäß die größtmögliche Gelegenheit, Marta Sausele zu töten: Er hatte mit dem Opfer zu tun und er hatte ihr Vertrauen, er war unbeobachtet, hatte Zugang zu den Medikamenten. Das alles trifft in ähnlicher Weise auch bei den anderen Todesfällen zu. Die dürfen wir nicht vergessen! Und seine Motive sind die nächstliegenden. Er wäre nicht die erste Pflegekraft, die ihr anvertraute Patienten oder Heimbewohner aus falschem Mitleid, infolge fehlender Anerkennung oder aus ähnlichen Gründen, tötet. Denken Sie an die vielen bekannten Fälle: Luzern, Sonthofen oder erst kürzlich Bonn. Wir wollen nicht hoffen, dass die Tötungen schon solche Ausmaße erreicht haben wie die in Sonthofen.
Dass wir trotzdem auch Andrej Kovalev in Gewahrsam behalten, können wir paradoxerweise nur rechtfertigen, wenn wir davon ausgehen, dass er nicht gelogen hat. Wenn sein Bruder Juri, also der gesuchte Yegor Kutschman, tatsächlich hier war, dann hätte er ihn beherbergt, respektive versteckt. Hat Andrej Kovalev einen Rechtsanwalt?“
„Ja, Dr. Grau. Er wird bei der Haftprüfung nachher anwesend sein“, schmunzelte Bacchus.
„Schön, dann habe ich wenig Bedenken“, sagte Jung zum Chef, und zu den zwei Kommissaren: „Ermitteln Sie intensiv weiter in alle Richtungen. Ich meinerseits werde die Exhumierung der beiden anderen in den letzten vierzehn Tagen verstorbenen Heimbewohner beantragen.“ Er erhob sich.
„Das tun wir. Wir werden intensiv ermitteln. Aber ohne Verstärkung werden wir uns intensiv kaputt machen. Wir sind bis jetzt immer noch zu zweit an dem Fall“, bemerkte Strobe und dachte dabei an die bevorstehenden Exhumierungen. Die würden weitere unangenehme Gespräche mit Angehörigen zur Folge haben. Als hätten sie nicht genug zu tun.
„Ist angefordert. Wir kriegen noch jemanden“, versuchte der Chef ihn zu beruhigen. „Einen Kriminalpsychologen, der schon in Sonthofen Erfahrung gesammelt hat, erwarte ich morgen. Und Kommissar Schulze von der KI 2 wird noch heute zu Ihnen stoßen. Er wird Sie bei den weiteren Befragungen unterstützen. Aber
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