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Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
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ihm so vertraut war. Aus Lockes Wohnung oder manchmal auch noch von der Kleidung seines Kumpels. Der süßliche Geruch, den jemand ausströmt, der kurz vorher Marihuana geraucht hatte.
    Er musste es dem Kommissar erzählen. Jetzt!

    Der Hauptkommissar stand auf dem Flur am Fenster. Linde hatte seine Erinnerungen so eindringlich geschildert, dass Strobe keinen Moment daran zweifelte, dass er die Wahrheit sagte. In den letzten Stunden vor seinem Besuch in Kevins Zelle war sich Strobe nicht mehr ganz sicher gewesen, ob der Pfleger nicht doch an dem Mord beteiligt gewesen sein könnte. Trotz der neuen Erkenntnisse waren ihm alle – auch seine eigenen – Versionen vom Tathergang so unwahrscheinlich erschienen. Ohne dass Linde beteiligt gewesen war, oder wenigstens ohne dass er etwas bemerkt hatte, also Mitwisser war, konnte so ein Verbrechen da oben nicht geschehen sein.
    Doch jetzt war er sich so sicher wie nie. Wer es auch war. Jemand hatte sich in jener Nacht fast unbemerkt auf Station B des Sonnenweiß-Stifts geschlichen. Jemand, der unmittelbar vorher einen Joint geraucht hatte. Ob es nun sein Kumpel Locke, einer der Zwillingsbrüder oder sonst wer war. Er würde es herausfinden. Linde hatte den nächtlichen Besucher nicht gesehen – aber gerochen! Eine Bewohnerin hatte ihn gesehen oder vielmehr seinen grauen Schatten, wie sie es nannte. Vielleicht war der Unbekannte es gewesen, der den Schwesternnotruf betätigt hatte. Das erschien zwar auf den ersten Blick absurd, aber wenn man eine Weile drüber nachdachte, ließen sich durchaus ein paar mögliche Gründe dafür finden. Und dann war es gar nicht mehr so abwegig. Denn das Zimmer dieser Elvira Degner war das Nachbarzimmer von Else Schmidt, welches wiederum an das der Sausele grenzte. Sollte das Zufall sein?
    Nachdem Linde vorhin mit seiner Schilderung fertig gewesen war, hatte er ihn gefragt, ob jemand aus seinem Bekanntenkreis Marihuana konsumiere, worauf Linde noch einmal den Namen Hartmut Locke genannt hatte. Die Antwort des Pflegers hatte ihn dann zum eigentlichen Grund seiner Befragung geführt: War Linde die Trennung von Bettina Richter wirklich so gleichgültig? Die Vermutung Strobes, dass Linde seine Freundin bedrängt oder belästigt hatte, wollte der aber wieder nicht bestätigen. Er stritt das vehement ab. Auch noch, nachdem ihm Strobe seine Theorie von einem möglichen, üblen Streich des neuen Liebhabers seiner Ex, den der ihm gemeinsam mit Locke gespielt haben könnte, unterbreitet hatte.
    Diese Reaktion Lindes erhöhte aber erneut dessen Glaubwürdigkeit, was seine sonstigen Aussagen betraf. Denn wenn sich der Pfleger die Sache mit dem Cannabisgeruch auf der Station nur ausgedacht hatte, um Locke zu belasten, dann würde er ihn nicht später wieder entlasten. Auch auf die Neuigkeit, dass sein Kumpel in den letzten zwei Wochen Betti nachgestiegen war, hatte Kevin Linde gelassen reagiert: Er habe Locke schon abgeschrieben gehabt, als ihm klar geworden sei, dass der die Ampulle gestohlen haben musste. Dass er seine Ex ebenfalls abgeschrieben hatte, hatte er da nicht mehr erwähnen müssen.
    Strobe hatte Linde dann versprochen, dass er sich persönlich um einen Haftprüfungstermin kümmern werde, falls er morgen noch in der Zelle säße.
    Über diesem voreiligen Versprechen grübelte der Hauptkommissar nun auf dem Weg zurück zu seinem Büro.
    Die Vormittagssonne und Schell strahlten ihm entgegen, als er den Raum betrat. Der Bub konnte anscheinend wieder einen Erfolg melden. „Fünftausend Euro hat Sausele sich am Montag, dem zwölften November, in bar von seinem Geschäftskonto auszahlen lassen!“ Schell lehnte sich zurück, reckte und streckte sich und war wohl so halb schon wieder in einem Sonderurlaub, den er nie kriegen würde.
    „Das ging schnell“, bemerkte Strobe anerkennend, während er sich das Fax anschaute, das ihm Schell hinhielt.
    „Ja, schnell und völlig unproblematisch. Kurzer Anruf, Weiterleitung zum Filialleiter der Bank, Anordnung vom Staatsanwalt hingefaxt, Kontoauszüge bekommen“, bestätigte der.
    „Das bedeutet, Sausele hat am Morgen nach der Nacht, in der seine Mutter umgebracht wurde, um zehn Uhr sieben fünftausend Euro abgehoben“, sinnierte Strobe. „Vermutlich kurz nachdem die Bank geöffnet hat. Das macht ihn wahrlich verdächtig.“
    „Klar“, frohlockte Schell: „Er hat Samstagnacht den Auftrag zum Mord erteilt, in der Nacht darauf ist er ausgeführt worden und am nächsten Morgen ist Zahltag

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