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Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
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eine originelle Kurzform seines Nachnamens sein sollte, daran konnte Strobe sich nicht mehr erinnern.
    „Danke.“ Strobe zog den angebotenen Stuhl ein Stück vom Schreibtisch weg.
    „Ich habe vorhin einen Anruf vom Polizeirevier Lauffen erhalten. Polizeihauptmeister Kienzle ist der neue Leiter dort“, begann der Kriminaloberrat, noch ehe Strobe richtig saß, und fuhr fort: „Er erhielt gestern einen anonymen Anruf von einer weiblichen Person, die behauptete, im Pflegeheim Albert-Sonnenweiß-Stift in Lauffen habe es Unregelmäßigkeiten gegeben. Genauer gesagt, rätselhafte Todesfälle.“
    Während Strobe seinem Chef aufmerksam zuhörte, stellte er fest, dass der etwa Gleichaltrige, der ihm gegenüber saß, wieder versucht hatte, mit seinem spärlichen Haupthaar und etwas Gel seine Glatze zu bedecken. Es lag im Gegensatz zu heute Morgen quer über der breiten Schneise auf seinem Kopf. Diese kleine Korrektur war dem im Beobachten von Feinheiten geübten Hauptkommissar in letzter Zeit öfter aufgefallen. Sonst hatte er stets zu seinem fast kahlen Haupt gestanden, so wie Strobe zu seiner Vollglatze. Es musste also etwas Bestimmtes dahinterstecken. Aber was?
    Als könnte Bachmüller Gedanken lesen, fixierte er Strobe plötzlich streng durch seine goldumrandete Brille.
    Strobe nickte beflissen und erfuhr nun, dass besagter Polizeihauptmeister Kienzle auf Grund des anonymen Anrufes mit dem Leiter des Pflegeheimes gesprochen hatte. Der wäre natürlich sehr beunruhigt darüber gewesen, dass offensichtlich jemand versuchte, das Heim zu diskreditieren. Bezüglich der erwähnten Unregelmäßigkeiten hatte er aber gleich jeden Verdacht aus dem Weg räumen können. Es waren in den letzten Tagen tatsächlich zwei Pflegeheimbewohner auf unnatürliche Weise verstorben, allerdings ohne Schuld des Pflegepersonals. Der Heimleiter habe Kienzle sofort bereitwillig die Akten der Verstorbenen zur Einsichtnahme vorgelegt. Es sei alles in Ordnung gewesen. Wer der weibliche Anrufer gewesen sein könnte, habe sich der Heimleiter auch nicht erklären können. So weit, so gut.
    Schweigend und von Zeit zu Zeit nickend saß Strobe im gemütlichen Drehstuhl, die Arme entspannt auf den Armlehnen. Er wartete auf den springenden Punkt, auf die Stelle ‚an der der Elefant das Wasser lässt‘, wie er zu sagen pflegte. Bis jetzt war die Geschichte noch nicht so interessant, als dass Bacchus ihn wegen ihr zu sich bestellen und ihm seine kostbare Zeit stehlen würde.
    „Heute hat das Ganze allerdings neue Brisanz bekommen“, teilte ihm nun der Chef mit: „Eine zweiundsiebzigjährige, angeblich verwirrte Pflegeheimbewohnerin war heute Morgen aus dem Heim weggelaufen und wurde inzwischen in der Nähe des Heimes im Wald gefunden. Tot.“
    Er machte wieder eine Kunstpause. Strobe sagte immer noch nichts. Der Chef sprach weiter. „Die Frau ist zirka drei Meter tief einen Felsen hinunter in eine Senke gestürzt. Sie hat sich vermutlich das Genick gebrochen. Bis jetzt gibt es auch hier keinen Anhaltspunkt für Fremdverschulden. Ganz zu schweigen für ein Verbrechen. Ich möchte trotzdem, Herr Strobe, dass Sie sich die Angelegenheit näher anschauen.“
    Nun schaute Bacchus den Hauptkommissar abwartend an. Der nickte wieder und fragte: „Gibt es einen konkreten Verdacht? Eine bestimmte Person?“
    „Polizeihauptmeister Kienzle hat ein Fax mit dem Wortlaut des anonymen Anrufes mitgeschickt. Die Anruferin nannte keine Namen. Sie blieb sehr allgemein. Sie können sich das nachher durchlesen. Ihre Aufgabe wäre erst mal nur, verdachtsunabhängig zu prüfen, ob eine Gefahr für Leben und Gesundheit der Heimbewohner dort besteht. Den Staatsanwalt habe ich informiert, er hat bereits die Obduktion der Frau angeordnet, die heute, ich sage mal, verunglückt ist.“
    „Hat jemand gegen die Aufsichtspflicht verstoßen?“, wollte Strobe wissen. „Nur, dass ich vorbereitet bin.“
    „Ich habe diesbezüglich keine Informationen. Das müssen Sie herausfinden. Jedenfalls unternehmen wir nichts weiter, bevor Sie mir keine Bestätigung dafür liefern, dass dort etwas nicht in Ordnung ist, oder bevor die Obduktion Fremdeinwirkung feststellt. Ich weiß, dass Sie das nötige Fingerspitzengefühl haben, um vorsichtig genug mit der heiklen Angelegenheit umzugehen.“
    Strobe hörte allmählich die Nachtigall trapsen. Dass eine Obduktion durchgeführt wurde, wenn die Todesursache unklar war, war ja nicht völlig unüblich. Aber dass Bacchus ihn gerade jetzt von einem

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