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Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
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auch nicht gesehen?“
    Larissa schüttelte den Kopf. „Ich muss weiter.“ Sie lief mit ihrem Wagen voller Joghurts, Obstschalen, Getränken und dazwischen dem Wischeimer den Gang hinter.
    Kevin schaute noch einmal aus dem Fenster des Aufenthaltsraumes. Das gelb-orange ASB-Auto war weg, dafür stand jetzt ein Streifenwagen unten. Durch die Einfahrt lief gerade eine Pflegerin in den Hof. Es war Sigrid von Station D. Sonst war draußen niemand zu sehen.
    Die alte Frau kann in jede Himmelsrichtung gelaufen sein, sinnierte Kevin. Wenn er auch immer noch bei seiner Theorie blieb, dass sie den kürzesten Weg zum Wald genommen hatte, falls sie über den Nordflügel aus dem Gebäude gelaufen war.
    „Habt ihr sie gefunden?“, dröhnte Renates Stimme hinter ihm.
    Kevin verneinte. „Die Polizei ist schon da“, informierte er sie.
    „Ich weiß, Stur war vorhin da. Wo ist Anna?“
    „Hab sie nicht mehr gesehen.“ Er zuckte mit den Schultern und murmelte: „Sucht wahrscheinlich noch draußen. Ich werde gleich den ganzen Schlamassel dokumentieren.“
    Er fühlte, dass er sich ein paar Minuten setzen sollte, und hoffte, die Chefin würde nichts dagegen einwenden. Seit er sich wieder auf der gut geheizten Station befand, machte ihn sein Kreislauf darauf aufmerksam, dass er mit seinem Kaffee-, Bier- und Nikotinkonsum, dazu dem Schlafmangel, nicht mehr einverstanden war. Die Aufregung tat ihr Übriges.
    „Nix da! Es gibt Wichtigeres zu tun.“ Renate stützte bedrohlich ihre Hände gegen ihre Hüften. „Wir müssen sowieso noch über das Delegieren von Arbeit reden. Aber das machen wir heute Nachmittag; dann kannst du auch alles dokumentieren. Jetzt wäschst du erst mal Frau Heine.“
    Mit diesen Worten verschwand sie in Richtung Schwesternzimmer.
    Kevin atmete tief durch. Die Kopfschmerzen kamen auch langsam, aber sicher wieder. Mit flauem Gefühl im Magen schnappte er sich eine Pampers Extra-Large vom nächsten Pflegewagen und machte sich auf den Weg zu der bettlägerigen Einhundert-Kilo-Frau in Zimmer 203.

Donnerstagnachmittag

    Kurz nach zwölf klingelte in der Polizeidirektion Heilbronn am Schreibtisch von Hauptkommissar Strobe das Telefon.
    Als er den Hörer wieder auflegte, fragte Kommissar Schell, der am Schreibtisch gegenüber saß, beiläufig „Und?“, ohne den Blick vom Computerbildschirm abzuwenden.
    „Bacchus. Er wünscht mich zu sprechen“, brummte Strobe, streckte und dehnte sich und rieb sich dann mit beiden Händen übers Gesicht. Er dackelte sich nun schon den ganzen Morgen an dem überfälligen Bericht zur Festnahme eines Zuhälters ab. Der Typ hatte illegal eingewanderte Frauen im Heilbronner Rotlichtviertel für sich arbeiten lassen.
    „Aha“, quittierte Schell, vermutlich erleichtert darüber, dass er seine Tätigkeit nicht unterbrechen musste, die Mitteilung seines Vorgesetzten.
    Strobe allerdings war froh über die Unterbrechung. Das Anfertigen des Berichts bereitete ihm einige Schwierigkeiten, weil er sich wieder einmal eine nicht abgesegnete Blitzaktion geleistet hatte. Die sollte er jetzt schriftlich und konform mit den Dienstvorschriften begründen, ohne dabei zu lügen.
    Aber offensichtlich wollte ihn Bacchus nicht wegen dem kleinen Angriff auf die Wohnung des verdächtigen Milieu-Windbeutels sprechen. Den Kopf hatte er Strobe eh schon gewaschen – bei einem Gläschen Obstler. Und dem Tonfall des Chefs nach, eben am Telefon, ging es eher darum, dass der ein Anliegen an ihn hatte.
    Der Hauptkommissar erhob sich ächzend. Vom langen Sitzen hatte er einen steifen Rücken bekommen. Wenn das so weitergeht mit meinem Kreuz, dachte er, werde ich mich nicht mehr mit meinen Enkeln auf dem Fußboden balgen können, wenn dann mal irgendwann welche da sein sollten ...
    Er strich sich nachdenklich über seine Glatze und warf einen Blick aus dem Fenster. Der graue Himmel hinter dem gegenüberliegenden, noch graueren Gebäude kündigte einen kalten, verregneten Tag an. Eigentlich war das Wetter wie geschaffen für Büroarbeit.
    Strobe schlenderte auf den Flur hinaus, klopfte andeutungsweise einmal an der nächsten Tür und trat ein.
    Der Leiter der Kriminalinspektion für Kapitalverbrechen, Kriminaloberrat Heiner Bachmüller, bat Strobe, Platz zu nehmen.
    Bacchus wurde er in seinem Beisein nur von seinen engsten Freunden, in seiner Abwesenheit allerdings von fast allen Kollegen, genannt. Ob er wegen seiner Trinkfestigkeit mit dem Namen des allbekannten Weingottes tituliert worden war oder ob es nur

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