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Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
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herumzuspuken. Das Diazepam! Was war mit der Ampulle? Es fiel ihm nicht ein. Bei dem permanenten Hagel von Fragen und Vorwürfen konnte er sich einfach nicht konzentrieren. Sie könnten mir wenigstens eine Zigarette anbieten, dachte er. Das machten sie doch in jedem billigen Krimi.
    „Rauchen Sie?“ Der Alte hielt ihm die Zigarettenschachtel hin. Er hatte wohl gesehen, dass Kevin unbewusst auf die Schachtel starrte. Kevin nahm sich eine heraus. Derrick gab ihm Feuer und fragte: „Das Spritzen haben Sie während Ihrer Krankenpflegeausbildung gelernt?“
    „Ja“, antworte Kevin halb abwesend nach einem tiefen Zug. Dann erst wurde ihm bewusst, worauf der Kommissar hinauswollte. „Dass ich die Ampulle geklaut haben soll, ist noch so ein Schmarren. Ich bin doch nicht so blöd und klaue etwas aus dem Giftschrank, wo jeder weiß, wer die Schlüssel hat.“
    „Sicher sind Sie nicht blöd, aber leichtsinnig und etwas überheblich. Sie wussten, die Diazepam-Ampulle würde vielleicht nie gebraucht werden. Sie war nur für Notfälle dagelassen worden“, triumphierte der Bubi.
    „Ich brauche einen Kaffee, Sie auch Herr Linde?“, sagte der Alte unvermittelt.
    Kevin nickte und registrierte, dass der Bubi vom Alten ein diskretes stummes Zeichen bekam und daraufhin den Raum verließ.
    Einen Moment lang herrschte Schweigen im Verhörzimmer. Dann fragte der Alte: „Die Trennung von Ihrer Freundin, ist das sehr unerwartet für Sie gekommen?“
    „Was hat das damit zu tun?“
    Der Alte lächelte. „Ich sage immer, wir Kriminalisten sind Jäger und Sammler. Und jetzt sammle ich gerade. Es ist meine Methode, dass ich alles einsammle, auch Dinge, die vielleicht nicht direkt mit dem Fall zu tun haben. Irgendwann hab ich genügend Puzzleteile beisammen und kann mir mein Bild zusammensetzen. Über Sie und ihre Umgebung sollte ich schon noch etwas mehr erfahren. Marta Sausele wurde ermordet, das ist erwiesen. Drei weitere Heimbewohner sind unter wirklich sehr unglücklichen Umständen ums Leben gekommen. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass Sie dabei nachgeholfen haben. Aber das ist wenig relevant. Die Indizien gegen Sie sind erdrückend. Vor allem im Fall Sausele. Wer außer Ihnen sollte noch ein Motiv und die Gelegenheit gehabt haben? Was soll ich tun? Helfen Sie mir.“
    „Den finden, der die Sausele erstickt hat.“
    „Wer soll es getan haben, wenn nicht Sie? Und warum? Und vor allem: von Ihnen unbemerkt? Oder haben Sie vielleicht etwas bemerkt? Ist Ihnen Sonntagnacht etwas aufgefallen? Oder haben Sie einen Verdacht? Erzählen Sie mir irgendwas!“
    Kevin versuchte wieder verkrampft, sich an die Nacht zu erinnern. Ja, er hatte etwas bemerkt, aber was? Zwecklos! Er war das Szenario jener Stunde schon hundertmal durchgegangen. Seine Hirnrinde wollte es nicht hergeben. Der Alte redete auch schon wieder weiter: „Dieser anonyme Anruf. Könnte da Ihre Exfreundin dahinter stecken?“
    „Wieso? Hat die Person meinen Namen genannt?“
    „Nein, hat sie nicht. Können Sie sich vorstellen, dass sie es war? Vielleicht um Ihnen eins auszuwischen?“
    „Nein. Wir sind nicht im Hass auseinander gegangen. Wir hatten zwar Streit, aber nichts Großes. Und dass wir uns zofften, war auch nicht neu. Wir haben uns einfach auseinander gelebt. Dass sie jetzt einen anderen Typen hat, ist mir ziemlich wurst. Und sie hat bestimmt auch keinen Grund, mir eins auszuwischen.“
    „Kennen Sie den neuen Freund Ihrer Ex?“
    „Nein. Das heißt, ich weiß nicht, ob ich ihn kenne. Ich weiß gar nicht, wer es ist.“ Wollte Derrick ihn jetzt über die Kumpeltour zum Geständnis bewegen? Aber immerhin hatte er Harry Kaffee holen geschickt. Dafür könnte man sich ja mit ein paar Antworten erkenntlich zeigen.
    „Es könnte also auch jemand aus ihrem Umfeld sein? Der Neue Ihrer Ex, meine ich. Zum Beispiel ein Mitarbeiter des Sonnenweiß-Stifts?“, fragte er nun.
    „Könnte sein.“ Auf die Idee war Kevin noch nicht gekommen. Wer sollte das denn sein? Locke? Wer aus dem Heim wäre sonst noch ihre Kragenweite? Aber was sollte das mit dem Anruf zu tun haben?
    „Es wäre eine abenteuerliche Hypothese, ist aber alles schon passiert: Ein Paar zieht einen Dritten, zum Beispiel den lästigen Exfreund, durch Verleumdung aus dem Verkehr, weil er aus irgendeinem Grund stört. Vielleicht weil er die Freundin nicht hergeben will.“
    „Das trifft auf mich nicht zu. Ich habe überhaupt keine Schwierigkeiten mit der Trennung. Im Gegenteil. Es war ja nur ein

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