Grauen im Grand Hotel
ansehen. Du verstehst, was ich damit meine, oder soll ich deutlicher werden?«
Der Russe schluckte. »Nein, danke«, flüsterte er. »Es… es reicht auch so.«
»Gut.« Der Doktor lachte. »Es ist schwer, wirklich. Für mich ist es eigentlich besser, wenn du tot bist, aber du hast dich wirklich angestrengt, ich sollte dich doch belohnen.«
»Dann gibst du Rocco keinen Befehl?«
»So ist es.«
Wladimir stieß erleichtert darüber die Luft aus, daß man ihm eine Galgenfrist eingeräumt hatte. Wie lange sie dauern würde, lag allein in der Hand seines Gegners.
»Und wie geht es dann weiter?« fragte er.
»Das muß ich mir noch überlegen. Ich will dir sagen, daß ich dich bis zum Einbruch der Dunkelheit hier im Keller lasse, denn ich habe noch einiges zu tun. Erst wenn die Dämmerung hereingebrochen ist, sehen wir weiter. Ist dir das recht?«
»Fast.«
»Was fehlt noch?«
»Ich mag es nicht, wenn man mich gefesselt hat.«
Satorius wollte sich ausschütten vor Lachen. Er streckte seinen Arm aus und tätschelte einige Male die Wange des Russen. »Du bist manchmal ein großer Scherzbold. Ja, du hast Humor. Irgendwie beeindruckt mich das. Verliere ihn nicht.«
»Keine Sorge.«
Satorius drehte sich um. Er gab Rocco ein Zeichen. Der Leibwächter überprüfte die Fesselung. Zufrieden nickte er. »Aus eigener Kraft kann er sich nicht befreien.«
»Das dachte ich mir.«
»Soll ich trotzdem bei ihm bleiben?«
»Nein, mein Lieber, du kommst mit mir. Ich möchte noch zu meinen Freunden reden.«
»Will jemand den neuen Weg gehen?«
»Monica hat sich dazu entschlossen…«
Es waren die letzten Worte, die Golenkow mitbekam, denn die beiden Männer verließen den Keller.
Wieder blieb er allein zurück, und wieder konnte er sich gedanklich mit seinem Schicksal beschäftigen.
Seinen Blick richtete er automatisch auf die Kettensäge. Allein ihr Anblick flößte ihm einen Schauder ein.
Bis zur Dunkelheit hatte man ihm eine Galgenfrist gegeben. Was würde dann geschehen?
Würden die anderen dann eine verdammte Jagd auf ihn veranstalten?
Womöglich mit der Kettensäge?
Er verzog die Lippen, seine Wangen zuckten, der Schweiß verdichtete sich noch mehr. Wenn er ehrlich gegen sich selbst war, hatte er so große Chancen wie ein Stück Eis im heißen Ofen…
***
Ich wartete, bis die beiden verschwunden waren. Daß Monica Grandi nicht freiwillig mitgegangen war, stand für mich fest, auch wenn es nicht so ausgesehen hatte. Sie war einem indirekten Zwang gefolgt, zudem wußte sie, was geschehen würde, wenn sie nicht gehorchte. Dann zog dieser Satorius andere Seiten auf.
Was wurde hier gespielt?
Eins stand fest.
Dieser Satorius hatte es geschafft, Menschen unter seine Kontrolle zu bringen. Da reagierte er nicht anders als ein Guru und Anführer einer Sekte, nur setzten sich seine Patienten nicht aus allen Schichten der Bevölkerung zusammen, sondern gehörten einzig und allein einer gewissen Gruppe an.
Irgendwie hatten sie mit dem Geheimdienst zu tun, waren entweder direkt oder indirekt mit ihm verbunden. Und diese Verbundenheit konnte auch als global angesehen werden, sie war nicht auf ein oderzwei Länder beschränkt, sonst hätte nicht auch mein Freund Wladimir Golenkow den Weg in dieses Grand Hotel gefunden.
Ich ging fest davon aus, daß die Besitzerfamilie und deren Mitarbeiter von den hintergründigen Aktivitäten des Dr. Satorius' nichts ahnten. Sie waren ihm gewissermaßen auf den Leim gegangen und froh gewesen, das Haus vermieten zu können.
Was aber steckte tatsächlich dahinter?
Mir kam der Fall vor, als bestünde er aus Kaugummi. So sehr dehnte er sich. Je mehr ich an ihm zog, um so weniger begriff ich etwas von der gesamten Tragweite.
Ich mußte mich zunächst auf die einzelnen Schicksale konzentrieren. In diesem Fall hatte das Schicksal sogar einen Namen, nämlich Monica Grandi.
Ihre Gestalt und vor allen Dingen ihr Gesicht wollten mir nicht aus dem Sinn. Ich dachte über den Ausdruck nach. Wie war er gewesen?
Entspannt, entrückt, freudig, eher nachdenklich?
Es hatte keinen Sinn, sich länger darüber Gedanken zu machen. Ich mußte versuchen, mit ihr klarzukommen und sie vor allen Dingen aus den Klauen des Psychologen holen.
Ich hatte gesehen, daß die beiden so unterschiedlichen Personen auf das Haus zugegangen waren. Ferner ging ich davon aus, daß Satorius es bewachen ließ, also mußte ich wieder einmal Indianer spielen und mich so leise wie möglich anschleichen.
Zum Glück war der
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