Grauen im Grand Hotel
befand sich bereits auf dem Weg zum Fenster. Er hatte nicht mehr als einen Schritt zurückgelegt, und auch er mußte das Geräusch gehört haben.
Die Frau saß noch auf ihrem Platz.
Sie bewegte sich jetzt.
Es war furchtbar.
Sie hatte die Klinge gegen ihren Hals gepreßt, leicht zugedrückt und sie mit einer einzigen Bewegung von einer Seite zur anderen gezogen. Sie kippte zurück. Am Hals sah ich einen dunklen Streifen. Die Tatsache, daß ich sie nicht hatte retten können, traf mich wie ein Keulenschlag.
Der Kerl mit dem röhrenden Gegenstand tobte näher. Es gab keinen Zweifel, daß er mir ans Fell wollte, aber auch Satorius befand sich auf dem Weg zum Fenster.
Noch einmal schaute ich in das Zimmer.
Zum Glück.
Er hatte eine Waffe gezogen, mußte mich gesehen haben, denn plötzlich schoß er.
Im letzten Augenblick zog ich den Kopf ein. Über mir zersplitterte die Scheibe. Kleine Glasstücke regneten mir entgegen. Die meisten blieben zwischen den Blumen hängen, und ich war einen Schritt zur Seite gehuscht.
Plötzlich war mir klargeworden, daß ich mich in Lebensgefahr befand. Ich hatte auch herausgefunden, welche Waffe der anstürmende Kerl bei sich trug.
Es war eine Kettensäge!
Bilder von schrecklichen Filmen schössen mir durch den Kopf. Mochten andere sie auch als Kultstreifen ansehen, noch weniger gefiel mir, daß ich mit einer derartigen Waffe angegriffen werden sollte. Ob es genau der Typ gewesen war, der die junge Frau in meinem Beisein von der Bank weggeholt hatte, war für mich nicht genau zu erkennen, jedenfalls sah er so ähnlich aus.
Ich kam nicht zum Schuß. Satorius nahm mich unter Feuer. Er hatte die dicke Tür geöffnet, stand dahinter und schoß auf mich. Nur seine Waffe war zu sehen. Ich mußte weg.
Dabei gab ich einen Schuß auf die Tür ab, zwang Satorius in Deckung und hörte das Geräusch der Kettensäge überlaut. Sie sang in hohen Todestönen. Der Kerl war mir verflucht nahe gekommen. Er und das blanke, glänzende Blatt tanzten vor meinen Augen. Wieder feuerte Satorius. Er schoß schlecht. Die Kugel irrte vorbei. Ich feuerte auf den Mann mit der Kettensäge.
Die Kugel erwischte seine Waffe, prallte dort ab. Er rannte weiter, und ich hatte die andere Ecke des Hauses erreicht.
Endlich Deckung!
Keuchend fiel ich auf die Knie!
Ich wußte selbst, daß ich mich nicht eben ideal verhalten hatte. Das mußte an der Enttäuschung gelegen haben, die junge Frau nicht mehr retten zu können. Ich war einfach zu stark auf sie konzentriert gewesen und hatte nicht so schnell umdenken können. Im nachhinein wurde mir klar, daß ich verdammtes Glück gehabt hatte, nicht erwischt worden zu sein. Vielleicht lag es auch daran, daß Satorius zu schlecht schoß. Seine Waffen waren eben andere.
Erst jetzt merkte ich, daß es still geworden war. Der Kerl mußte den Motor der Kettensäge ausgeschaltet haben. Ich hörte überhaupt nichts mehr, blieb aber wachsam.
Keine Schritte, kein Schleifen, deshalb riskierte ich es und schaute um die Hausecke.
Ich sah keinen Gegner mehr. Vor dem zerschossenen Fenster lagen noch einige Scheiben, das war alles. Auch die Tür war wieder zugezogen worden. Keine Spur von Satorius und seinem Helfer. Die Stille des Todes hatte in dieser Umgebung Einzug gehalten. Ich hörte mich selbst atmen, schaute zurück und entdeckte auch an dieser Hauswand Fenster.
Ideal war der Platz nicht.
Trotz allem wollte ich ins Haus. Aber wie? Einfach hineingehen und mich Satorius stellen?
Da lag eine Tote, und die mußte weggeschafft werden. Satorius und seine Helfer konnten sich nicht für immer verstecken. Irgendwann mußten sie sich zeigen.
Das taten sie nicht.
Als etwa drei Minuten vergangen waren, riskierte ich es und ging dorthin, wo sich der Eingang befand. Ich hatte ihn noch nicht erreicht, als ich den Wagen hörte, der startete.
Dann rannte ich.
Trotzdem kam ich zu spät. Mein Blick fiel auf das Heck eines Kleinbusses, der mit ziemlich hohem Tempo verschwand. Verloren…
Satorius und sein Helfer waren geflüchtet, und ich hatte mich wie ein Idiot benommen.
Ich drehte mich um, als ich hinter mir das Räuspern hörte. Meine Augen weiteten sich, denn in der offenen Tür stand Satorius, schaute mich an und tat, als wäre nichts geschehen.
Er nickte mir sogar zu, fragte: »Wollten Sie zu mir?«
»Und ob!«
»Hatten Sie einen Termin?«
»Das interessiert mich einen Scheißdreck!« fuhr ich ihn an. »Wo ist die Tote?«
Er hob die Augenbrauen und strich wieder durch sein
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