Graues Land (German Edition)
unangenehme Kälte dringt durch die Ritzen der Karosserie. Jedes Härchen meines Körpers ist aufgerichtet. Auch wenn ich es zu vermeiden suche, meinen Blick durch die Hügel schweifen zu lassen, so kann ich doch nicht verhindern, dass ich trotz allen Unbehagens die Welt um mich herum fast schon begierig in mich aufsauge. Als würde man einen schrecklichen Autounfall betrachten, von dem man unmöglich seinen Blick abwenden kann.
Wieder frage ich mich in einem Anflug stiller Verzweiflung, wann ich endlich aus diesem Alptraum erwachen würde. Scheinbar ist mein Verstand noch immer nicht bereit, jene dämmerige und schweigsame Landschaft, die so gleichgültig wie ein düsterer Film an meinem alten Pick-up vorüberzieht, als die einzig wahre Welt zu betrachten. Vielleicht ist es der letzte Instinkt der Menschheit, der mich an eine Hoffnung glauben lässt, die längst im Nebel dieser neuen Welt versunken ist. Und diese Hoffnung lässt mich alten Narren noch immer daran glauben, dass ich irgendwann in der Nacht von meinem eigenen Schrei aufgeweckt werde und mich schweißgebadet in der Dunkelheit unseres Hauses umblicke, während Sarah neben mir tief und fest schläft.
Ein Blick zum Schaft des Gewehres, der wie ein unheilschwangerer Schatten aus dem Fußraum des Wagens herausragt, macht mir bewusst, dass diese Hoffnung die größte Selbsttäuschung ist, zu der ein alter, seniler Mann fähig sein kann.
Der Gedanke daran, nie wieder aufzuwachen und bis in alle Ewigkeit in diesem bizarren Schauspiel meines Unterbewusstseins gefangen zu sein, erschreckt mich zutiefst. Er raubt mir viel der Gelassenheit, die mich mit dem Vernageln der Fenster wie eine warme Meereswelle im Sommer umspült hatte.
Als nach einer langgezogenen Kurve die beiden geschwärzten Holzpfosten auftauchen, die den schmalen Weg zum Haus der Millers flankieren, bin ich froh darüber, die deprimierenden Gedanken, die mich erneut zu erdrücken drohen, in ihre Schatten zurückdrängen zu können. Ich halte den Wagen an und starre durch das verdreckte Seitenfenster des Pick-ups zu dem schmalen Sandweg, der sich bis zur Veranda der kleinen Holzhütte windet. Das Vibrieren der Karosserie lässt die Welt um mich herum erzittern.
Die Hütte sticht wie ein finsterer Dorn aus der Stille der Hügel heraus. Sie anzusehen, schmerzt so sehr, dass mir das Atmen schwerfällt. Dunkles, trockenes Laub bedeckt den Sandweg und wird vom kühlen Herbstwind vor sich hergetrieben. Fast überkommt mich der Eindruck, als würden sich unzählige, riesige Insekten über den Weg auf das Haus zubewegen.
Dannys Buick steht immer noch vor der Veranda. Eine Schicht aus kleinen Zweigen und Laub hat sich auf dem Dach und der Motorhaube niedergelassen, ähnlich wie es bei Murphys Wagen gewesen war. Ich bilde mir sogar ein, die verdorrten Blätter unter den Reifen rascheln zu hören. Die Fliegengittertür hängt noch immer schief und schlägt im Wind auf und zu. Das Geräusch erinnert mich an das monströse Schlagen meines Hammers, als ich die Fenster mit Brettern vernagelt habe. Das rhythmische Schlagen der Tür erscheint mir plötzlich als das einsamste Geräusch der Welt. Meine Kehle schnürt sich zusammen und meine Brust beginnt zu schmerzen.
Ich spiele mit dem Gedanken, mit dem Pick-up den schmalen Weg zur Hütte hinaufzufahren. So, wie ich es in früheren Jahren oft getan hatte; alleine oder mit Sarah auf dem Beifahrersitz, das Radio auf unseren Lieblingssender eingestellt, der Oldies aus der guten, alten Zeit zum heruntergedrehten Fenster hinausbrüllt. Doch auf irgendeine verrückte Weise erscheint mir dieses Vorhaben unpassend angesichts der unnatürlichen Stille, die das Haus der Millers unter sich zu bedecken scheint.
Als sich meine Hand erneut auf den Gewehrkolben legt, spüre ich augenblicklich, wie sich mein Herz und Verstand beruhigen. Die Waffe zu berühren, scheint das Einzige zu sein, was ich in dieser reglosen Welt noch mit Sicherheit assoziiere, und dieser Umstand erschreckt mich zutiefst.
Ich schalte den Motor ab und versuche das sterbende Stottern der altersschwachen Maschine und die daraufhin einsetzende Stille zu ignorieren. Nicht zu viele Gedanken über Dinge machen, die nicht sein dürfen, sage ich mir. Mein kindliches Mantra lässt das schwere Hämmern meines Herzens gegen die Brust abklingen, bis ich nur noch ein leichtes Beben meines Oberkörpers spüre.
Mit der freien Hand greife ich die Taschenlampe, klemme sie mit der Plastikhalterung in eine
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