Graues Land (German Edition)
aufgebaut zu haben, der mich gegen die Schrecknisse dieser neuen Welt zu verbergen sucht, indem er sie einfach nicht mehr zu mir durchdringen lässt. Ich habe keinerlei Erklärung dafür, doch ich hinterfrage sie genauso wenig wie den Gestank nach Verwesung in der kalten Morgenluft. Manchmal erscheint es mir besser, das »Warum« grauenhafter Tatsachen nicht zu verstehen.
Ächzend stehe ich auf, wobei die unbequeme Haltung auf dem Boden ihren schmerzhaften Tribut fordert. Meine Hüfte schmerzt und durch meine Knie jagen spitze Nadelstöße bis zu den Füßen hinunter.
Ich lasse das milchige Rechteck der Küchentürscheibe nicht aus den Augen. Noch immer rührt sich nichts. Eine unheimliche Stille lastet über dem Haus.
Es kommt mir vor, als ducken sich die alten Mauern und das morsche Gebälk tief in die Schatten dieses ewig währenden Schweigens.
Als ich die Tür öffne, und sie – wie schon zuvor – mit dem Lauf der Waffe aufstoße, empfangen mich dieselbe Kälte und derselbe Gestank wie zuvor. Unwillkürlich halte ich den Atem an. Gleichzeitig spüre ich, dass das Gefühl, beobachtet zu werden, verschwunden ist. Ob es Teil meines neuen Selbstschutzes ist oder ob ich mir dieses Gefühl aufgrund meiner überstrapazierten Nerven zuvor nur eingebildet hatte, vermag ich nicht zu sagen. Doch es hilft mir, Ruhe zu bewahren und im Chaos meines Kopfes erste klare Gedanken zu fassen.
Nachdem ich noch einmal die Umgebung mit meinen Blicken überprüft habe, trete ich auf die Veranda hinaus und verwische den Hufabdruck auf den Holzbrettern mit meinem Pantoffel. Die Überreste der Tontöpfe schiebe ich klirrend zur Seite.
Nachdem nichts auf meinen Lärm reagiert hat und auch das Gefühl unmittelbarer Bedrohung nicht zurückgekehrt ist, gehe ich ins Haus zurück, ziehe meinen Morgenmantel über und trete erneut in den Garten hinaus.
Während ich durch das feuchte Gras zum Schuppen laufe, lasse ich das Gewehr nicht aus der Hand. Mein Blick wandert immer wieder zum Gartenzaun und den wallenden Nebelpfützen dahinter.
Erst als ich den Holzverschlag mit schnellen Blicken und hektischen Bewegungen mit dem Lauf des Gewehres untersucht habe, stelle ich die Waffe neben die Schuppentür und beginne damit, passende Bretter und Werkzeug zum Verbarrikadieren der Fenster herauszusuchen. Ich tue dies mit völlig normalen Bewegungen, wie ich sie in einer völlig normalen Welt gehandhabt hätte.
Ein gutes Gefühl.
Ein verlorenes Gefühl, das meinen Verstand wie warme Sonnenstrahlen flutet. Dabei lausche ich unentwegt auf jedes Geräusch, das eventuell von draußen zu mir hereindringt.
In der Mitte der Hütte steht der Generator. Mit sehnsüchtigen Blicken betrachte ich den altertümlichen Motor, der uns schon in so manchem Winter, wenn die Stromleitungen zugefroren und gebrochen waren, unverzichtbare Dienste geleistet hat. An diesem Morgen erscheint er mir wie der gigantische Schatten eines schlafenden Ungetüms.
Ein kurzer Blick in den Tank zeigt, dass er noch über die Hälfte mit Diesel gefüllt ist. Und in einer eisernen Wanne in der Ecke des Schuppens stehen noch zwei bis zum Rand gefüllte Kanister mit Kraftstoff. Dennoch wage ich es nicht, den Generator anzuwerfen. Wer kann schon sagen, welche Geschöpfe durch den Motorenlärm des Gerätes aus ihren Verstecken hervorgelockt werden?
Als ich genügend Bretter, sowie einen Hammer und lange und kurze Nägel zusammengesucht habe, schleppe ich alles keuchend zur Veranda hinüber, wobei ich den Zaun und die Welt dahinter nicht aus den Augen lasse. Mit einem irritierenden Summen auf den Lippen beginne ich, die Fenster zu vernageln. Wieder schimpfe ich mich einen ausgemachten Narren, dass mir diese Vorsichtsmaßnahme nicht schon früher eingefallen war.
Das Hämmern erscheint mir überlaut in der Stille des Gartens. Als würden direkt neben mir Granaten detonieren. Dass meine Waffe direkt vor mir gegen die Hauswand lehnt, beruhigt mich nur wenig. Ich stelle mir vor, wie die fürchterlichen Wesen in den Wäldern ihre hässlichen Schädel in Richtung des Lärms umdrehen. Ihre Nüstern blähen sich auf, schnuppern ... und finden den Angstschweiß eines alten Mannes in der Luft. Geifer tropft von ihren zähnebewehrten Fängen, während ihre schwerfälligen Leiber sich langsam in Bewegung setzen, zielstrebig auf das rhythmische Geräusch und den verlockenden Geruch des Fleisches zu.
Trotz dieser schreienden Gedanken arbeite ich unverdrossen weiter, immer wieder über die Schulter
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