Graues Land (German Edition)
blickend. Mehrmals halte ich inne, da ich in den Nebelfetzen jenseits des Zaunes träge Bewegungen zu erkennen glaube. Mein Atem rasselt in der Brust, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen.
Als ich sehe, wie die Fenster eines nach dem anderen unter faserigem, feuchtem Holz verschwinden, fühle ich mich wohler. Wenn es auch mein Herz schwer macht. Denn wie weit hat sich die Welt weitergedreht, dass man das vertraute Heim zu seiner eigenen finsteren Gruft umbauen muss?
Meine Arme beginnen zu schmerzen und kalter Schweiß rinnt über meine Stirn, trocknet jedoch schnell im kühlen Herbstwind. Ich bin so viel körperliche Arbeit nicht mehr gewohnt. Dazu schmerzt meine Hüfte immer noch. Dennoch ruhe ich nicht, bis der letzte Nagel im Holz verschwunden und von den Fenstern keine Spur mehr zu sehen ist.
Von jetzt an wird es auch am Tage dunkel im Haus sein, denke ich. Ein verbittertes Lächeln zieht sich über mein erschöpftes Gesicht. Allerdings kann ich nun unbedenklich Kerzen brennen lassen, ohne die Aufmerksamkeit der Geschöpfe auf uns zu ziehen.
Mit klopfendem Herzen und tauben Händen, jedoch zufrieden mit mir und meiner Arbeit, gehe ich in den Schuppen zurück und trage einige Scheite Holz in die Küche, die ich in den dafür vorgesehenen Behälter neben dem Holzofen lege.
Heute Abend wird Sarah eine warme Mahlzeit bekommen, denke ich in meinem Überschwang. Dazu eine schöne heiße Tasse Tee; bei romantischem Kerzenschein.
Ganz wie in alten Zeiten.
III
Bevor ich es mir mit Sarah in unserer Festung gemütlich machen kann, steht allerdings noch der Besuch bei den Millers auf dem Programm. Ein Blick in die kleine Speisekammer neben der Küche sagt mir, dass dieses Vorhaben nicht ganz ohne Eigennutz geplant ist.
Cindy war stets eine ausgezeichnete Köchin gewesen. Davon haben Sarah und ich uns an mehr als einem gemeinsamen Abend überzeugen können. Und wer weiß schon zu sagen, was diese Frau alles in ihrer Kammer lagerte, bevor alles begonnen hat. In Zeiten wie diesen, müssen die Menschen zusammenhalten. Zudem mache ich mir Sorgen um Cindy und Danny, da ich keine Anzeichen ihrer Anwesenheit gesehen habe, als ich am Tag zuvor während meiner Fahrt zu Murphy an ihrem Haus vorbei gekommen bin. Ich habe beide immer sehr geschätzt und gemocht. Und so mache ich mich am frühen Nachmittag mit meinem klappernden und rauchenden Pick-up auf den Weg.
Beflügelt von dem Wissen, Sarah in einem jetzt sicheren Haus zurückzulassen, und zufrieden mit meiner Arbeit vom Mittag, fühle ich mich zum ersten Mal seit Tagen von den ehernen Fesseln der Furcht befreit. Der Strudel meiner Gedanken ist zum Stillstand gekommen und die schrecklichen Bilder der Shoggothen sind zu farblosen Erinnerungen verblasst.
Ich weiß, dass diese Sicherheit trügerisch ist und ich Gefahr laufe, blindlings in eine Bedrängnis zu rennen, die ich noch am Morgen mit meinen geschärften Sinnen sofort erkannt hätte. Doch mein Körper und Geist sind ausgelaugt. Und im Moment, in der Enge der Fahrerkabine des Pick-ups, den dröhnenden und stotternden Motor unter mir und das Quietschen der Karosserie um mich herum, empfinde ich den wenigen Halt, den ich mir erschaffen habe, so fiktiv er auch sein mag, als willkommene Abwechslung zu den Schrecknissen der vergangenen Tage.
Dennoch bin ich beruhigt, dass mir die Flinte als Beifahrer dient und ihr Kolben aus dem Fußraum zu mir heraufragt. Auf dem Sitz neben mir liegt die Taschenlampe.
Der Boden ist holprig und voller Pfützen. Anscheinend hat es geregnet in der Nacht.
Während ich durch eine Landschaft fahre, deren vertraute Hügel und Kurven mir so fremd erscheinen als befände ich mich zum ersten Mal in dieser Gegend, versuche ich nicht über die Ereignisse der vergangenen Nacht nachzudenken. Doch ich kann nicht verhindern, dass einzelne Bilder, sowie das widerliche Lärmen an der Küchentür, wie schwarze Tümpel in meinen Verstand einsickern und meine Gedanken zu ertränken versuchen. Seltsamerweise bleibt die damit verbundene Furcht aus. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich während dem Fahren die rechte Hand auf dem trostreichen Lauf der Waffe liegen habe.
Immer wieder muss ich den Scheibenwischer einschalten. Nebel hält sich trotz der fortgeschrittenen Stunde hartnäckig und legt sich wie der tote Atem der Welt auf die Scheibe. Schon nach wenigen Minuten ist meine Sicht von schmutzigen Schlieren getrübt, in denen sich die Melancholie des Tages entstellt widerspiegelt.
Eine
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