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Graues Land (German Edition)

Graues Land (German Edition)

Titel: Graues Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dissieux
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Gürtelschlaufe meiner Hose und trete in den nebeldurchdrungenen Tag hinaus. Die Lampe pendelt bei jeder meiner Bewegungen und schlägt gegen meinen Oberschenkel.
    Vorsichtig blicke ich mich um. Eine Zeremonie, die mir in den letzten Tagen in Fleisch und Blut übergegangen ist, und mir so natürlich erscheint, wie das morgendliche Zähneputzen. Es scheint viel Wahres an den Worten zu sein, wenn man sagt, der Mensch sei ein Gewohnheitstier. Doch hatte ich nie jemanden darum gebeten, mich an all die Scheußlichkeiten und Eigenheiten dieser neuen Welt gewöhnen zu müssen. Auch nicht Gott, der sich von seiner Schöpfung scheinbar aus purer Langeweile abgewendet hat.
    Nirgendwo regt sich etwas. Die Hügel und Büsche liegen schweigend als graue Schatten im tristen Nachmittag. Ich versuche mich daran zu erinnern, wann es das letzte Mal zu solch fortgeschrittener Stunde Nebel in den Bergen gegeben hat. Ohne eine befriedigende Antwort auf mein Nachsinnen zu erhalten, überquere ich die Straße - nicht ohne in alter Gewohnheit nach links und rechts zu schauen - und bleibe zwischen den morschen Begrenzungspfählen des Sandweges stehen. Der schmale Pfad windet sich in einer leichten Steigung zwischen niedrigem Buschwerk und frisch gepflanzten Bäumen bis zur Veranda der Hütte. Tiefe Reifenspuren haben sich im Laufe der Jahre in den braunen Sand gegraben.
    Ein letztes Mal über die Schulter blickend, nehme ich den Weg hinauf zum Haus der Millers in Angriff. Dabei halte ich mich geduckt und lasse meinen Blick über Baumgruppen und hohe Gräser gleiten. Fast komme ich mir vor wie ein Soldat in einem dieser alten Vietnamfilme. Das schrille Kreischen der Fliegengittertür begleitet meinen Weg mit schauerlichem Gesang. Dennoch bin ich dankbar für dieses Geräusch, da es mir zeigt, dass die Welt noch immer existiert – egal auf welch furchtbare Weise.
    Dann ist es plötzlich still. Erst nach zwei weiteren Schritten bemerke ich, dass ich mich durch eine absolut schweigende Welt bewege. Ich bleibe stehen und starre auf die Fliegengittertür, die jetzt vollkommen bewegungslos in ihren rostigen Scharnieren hängt. Der Wind ist abgeflaut und nur noch als kühle Liebkosung im Gesicht zu spüren. Selbst die Büsche, die den Weg säumen, scheinen in ihrer Bewegung erstarrt. Kein Laub raschelt mehr oder tanzt verloren durch die Luft.
    Es ist, als hätte die Welt den Atem angehalten. Als würde sie den alten, grauen Mann beobachten, der sich wie ein Fremder durch die schwarzen Farben einer Welt bewegt, die jeglichen Lebens beraubt worden ist.
    Als ich zum Haus blicke, habe ich das absurde Gefühl, den Schatten einer tief auf der Erde kauernden Bestie zu betrachten, die mir entgegenstarrt und auf eine Gelegenheit wartet, sich auf mich zu stürzen. Der Griff um den Gewehrkolben verstärkt sich. Als ich zögerlich weitergehe, wirkt das Geräusch meiner Schuhe auf dem welken Laub wie das Zerbrechen kleinster Knochen unter meinen Schritten. Ich bin mir sicher, dass man das Rascheln bis hinunter nach Devon hören kann.
    Doch wer ist dort noch, der es würde hören können?
    Mein Blick heftet sich auf den blauen Buick von Danny, als ich mich ihm nähere. Wie ich von der Straße aus vermutet hatte, ist der Wagen seit geraumer Zeit nicht mehr bewegt worden. Kleine, schwarze Zweige bedecken das Dach und die Motorhaube, als hätte sie ein Kind nach dem Spielen dort liegen lassen. Blätter haben sich um die Reifen gelegt, die grau und ausgetrocknet wirken. Eine Schicht braunen Schmutzes bedeckt die Scheiben, doch ich kann genug erkennen, um zu sehen, dass der Wagen leer ist.
    Zumindest Danny muss sich also im Haus befinden, denn der Weg nach Devon ist weit. Auch wenn er noch relativ jung ist, würde Danny an einem trüben Tag wie heute den Weg in die Stadt oder zu Murphys Laden nicht zu Fuß zurücklegen wollen.
    Als ich dem Wagen den Rücken kehre, erwartet ein Teil meines Verstandes - jener, der mich mit schrillen Schreien daran zu hindern versucht, weiterzugehen -, dass eines der widerlichen Wesen aus dem Wald plötzlich mit wildem Fauchen durch die Windschutzscheibe des Buicks gesprungen kommt und sich mit seinen gekrümmten Klauen in meinen Rücken krallt. Doch das Gefühl vergeht, als ich einen Schritt auf die unterste Stufe der Veranda setze. Das graue Holz knirscht unter meinen Füßen. Ein Geräusch, das eben jenem überstrapazierten Teil in mir vorspielt, das Haus würde sich stöhnend im Schlaf erheben und wieder niedersinken.
    Ich halte in

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