Graues Land (German Edition)
Geringsten in Einklang mit den verstaubten Grautönen unserer Wirklichkeit steht. Gleichzeitig schiebt sich ein Schatten in dieses Bild, düster und bedrohlich, noch ehe Danny meine Ahnung bestätigen kann.
»Eines dieser Viecher hatte sich hinter dem Schuppen versteckt. Dort, wo das Brennholz liegt.«
Das leuchtende Bild eines sommerlichen Gartens mit blühenden Bäumen und unvergleichlichen Düften in meinem Kopf, färbt sich von den Rändern her in ein tiefes Schwarz, als würde man eine Fotographie verbrennen. Die Gerüche von nassem Gras und blühenden Sträuchern verwandeln sich in den Gestank wilder Tiere.
»Ich habe sie schreien hören und wollte nach draußen laufen. Aber als ich gerade die Tür erreicht habe, kam sie mir entgegen gestolpert.« Dannys Stimme bricht, und aus dem Zwielicht der Wohnung dringt ein jämmerliches Schniefen zu mir. »Sie war voller Blut, Harv. Alles war voll davon. Ihr Kleid, ihre Haare. Selbst im Gesicht hatte sie Blut.« Wieder ein bitteres Lächeln. »Und in ihrer Hand trug sie immer noch einen Apfel. Einen gottverdammten Apfel!«
Danny verstummt. Kein Stöhnen, keine Worte, kein Atmen mehr. Für Sekunden erstickt die Stille über dem Haus alles. Selbst mein eigener Atem scheint aufgehört zu haben. Der Schatten im Wohnzimmer sitzt reglos da.
Ich bin versucht, in die Dunkelheit zu treten und Danny mit freundschaftlicher Wärme zur Seite zu stehen. So, wie wir es in all den Jahren so oft gegenseitig getan haben, wenn einer von uns Probleme hatte. Doch ich entsinne mich dem Spannen des Abzugshahnes, und so bleibe ich bewegungslos und stumm im Türrahmen stehen. Für wenige endlose Sekunden scheint die Welt aufgehört zu haben, sich weiterzudrehen.
»Sie ist tot, Harv«, spricht Danny endlich weiter und reißt mich mit seinen Worten aus meiner Starre. »Ich hab’ sie auf die Couch gelegt und versucht einen Arzt zu erreichen.« Ein tiefes Schluchzen. Der Schatten erzittert. »Aber die ganze Welt ist vor die Hunde gegangen. Egal, wo ich angerufen habe, es ging niemand dran. Selbst meine Schwester und meine Mutter konnte ich nicht erreichen.«
Ich suche nach Worten. Will etwas sagen. Irgendetwas. Muss unbedingt diese unerträgliche Stille in meinen Gedanken beenden. Es ist, als hätte mein Kopf aufgehört zu funktionieren. Doch noch ehe ich etwas Sinnloses von mir gebe, spüre ich plötzlich, wie sich Dannys Blick durchdringend auf mich richtet – dieses unheimliche Gefühl beobachtet zu werden, bei dem sich alle Nackenhärchen aufrichten.
»Als ich zurückkam, war sie tot.« Dannys Stimme klingt mit einem Schlag nüchtern. Als hätte ihn das Aussprechen von Cindys Tod jegliche Emotionen geraubt. »Aber sie war nicht lange tot.«
Die Enge in meinem Kopf verwandelt sich in düstere, blickdichte Tücher, die Dannys Worte einem Rinnsal gleich in meinen Verstand sickern lassen. War mein Freund über den Tod seiner geliebten Frau verrückt geworden? Ergibt er sich dem Wahnsinn, um der schrecklichen Realität vor der Haustür entfliehen zu können?
Anscheinend beginne ich ebenfalls den Verstand zu verlieren, denn ich kann Danny so gut verstehen, dass ich ihn fast schon ob seiner Unzurechnungsfähigkeit beneide.
Vielleicht ist dies die einzige Möglichkeit zu überleben.
»Ich habe ihre Hand gehalten. Die ganze Zeit über. Hab’ einfach auf dem Boden vor der Couch gesessen und sie festgehalten. Verdammt, Harv, ich hatte nichts mehr und wusste nicht, wie es ohne Cindy weitergehen sollte.«
Unwillkürlich denke ich an Sarah. Was würde geschehen, wenn sie nicht mehr bei mir wäre?
Der Gedanke, dass Sarah das Einzige auf der Welt ist, das mir noch einen Grund zu Leben gibt, erschreckt mich zutiefst. Denn wie stark konnte Sarah ihr Band zwischen uns noch spinnen? Wie stark ist sie noch, um zu wissen, dass ich sie in diesen Tagen mehr brauche als jemals zuvor?
Eine Bewegung reißt mich aus meinen angsteinflößenden Gedankengängen. Danny hebt sein Gewehr und richtet den Lauf zur Decke. Zum ersten Mal kann ich seine Waffe als schwarze Silhouette erkennen. Und der Anblick ist alles andere als beruhigend. Zumindest zielt mein Freund nicht auf mich, so wie es Murphy getan hat.
»Wir haben lange so da gesessen, meine Cindy und ich«, fährt Danny mit tonloser Stimme fort. Im Zusammenspiel mit dem Schatten seiner Waffe erscheint er mir wie ein gedemütigter Krieger, der seine Männer einen nach dem anderen in einer Schlacht verloren hat. »Und dann haben sich ihre Finger plötzlich
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