Graues Land (German Edition)
Eingeweiden schließt sich mit einem hässlichen Schmatzen. All die Furcht, das Grauen und die aufkommende Panik bahnen sich ungehindert ihren Weg in meinen gemarterten Verstand. Die schreckliche Stille des Hauses zieht sich in finstere Ecken und Nischen zurück. Zurück bleibt ein ent- setzliches Kreischen, das schlimmer als die Stille ist und mich anfällt wie ein ausgehungertes Tier. Und dieses Schrei- en gebärt eine unaussprechliche Furcht in mir, deren Züge denen meiner Sarah gleichen und mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Ich sehe Cindy vor Augen, mit einem abgestumpften, leblosen Blick und der milchigen Pupille einer Blinden. Dann sehe ich Sarah ...
»Wo ist sie jetzt?«, frage ich mit krächzender Stimme.
Die ganze Zeit über hatte ich kein Wort gesprochen. Und jetzt fühle ich mich nicht dazu in der Lage, ganze Sätze zu formulieren.
Dannys Schatten bewegt sich kaum merklich. Er scheint noch immer zu weinen. Dann erscheint der schwarze Lauf der Waffe, der erneut zur Decke zeigt.
»Ich habe sie in unser Schlafzimmer gebracht«, antwortet er, als sei das Gewehr sein Arm, der ins Obergeschoss deutet.
»Ich weiß nicht, was dieses Ding ist. Aber es sieht immer noch aus wie meine Cindy. Deshalb dachte ich, ich sperre sie oben ein und warte ab.«
»Warten auf was?«, entfährt es mir. Ich bereue die Worte, noch ehe ich sie ausgesprochen habe.
»Warten auf was«, wiederholt Danny apathisch. Dabei stöhnt er lautstark. »Warten ...«
Ich wende mich ab und blicke in die Richtung, in der die Treppe an den Korridor anschließt. Erkennen kann ich in der Dunkelheit nichts. Aber das Gefühl, dass sich in dieser Richtung das Ding befindet, das Danny noch immer als seine Frau ansieht, lässt mich erneut frieren.
»Warten ...«, flüstert Danny, und ich begreife, dass der Verstand meines Freundes durch den Anblick seiner Frau nicht mehr zu retten ist. Wie sehr ich ihn doch beneide. Und wie deutlich mir das die eigene Verwundbarkeit offenbart.
Eine morbide Neugierde hat von mir Besitz ergriffen. Mir ist nur allzu deutlich bewusst, dass ich Sarah unmöglich so lange allein lassen kann. Doch gleichzeitig will ich wissen, was diese Kreatur, die Cindy im Garten angefallen hat, aus ihr gemacht hat.
Mit einer seltsamen Nüchternheit wird mir bewusst, dass dieses Wesen aus Dannys Garten und meine Shoggothen die gleichen Geschöpfe sind. Und sie haben sich in der Nähe meines Hauses herumgetrieben, waren sogar bis auf die Veranda gekommen, wenn ich meiner Fantasie noch Glauben schenken kann. Ein Grund mehr, zu erfahren, auf welche Abscheulichkeiten ich mich vorbereiten muss, wenn sich diese Biester einmal Zugang zu meinem Haus verschaffen sollten.
Die Kälte dieses Gedanken und wie ich damit umgehe, erschreckt mich zutiefst.
Trotz einer namenlosen Furcht, die sich tief in meinen Leib gegraben hat, erkenne ich plötzlich, dass ich mich Danny nicht anschließen darf, so sehr ein Teil von mir es sich auch erhofft, diesem Alptraum zu entfliehen. Wenn ich, und vor allem meine Sarah, eine Chance haben soll, diese Apokalypse zu überleben, und sei sie auch noch so gering, dann muss ich mich auf das Wesentliche konzentrieren. Auch wenn sich die Worte, die plötzlich meinen Verstand füllen, wie die verzweifelten Durchhalteparolen eines mittelmäßigen Actionfilms anhören mögen.
Während Dannys Flüstern immer unverständlicher wird und ein herzzerreißendes Schluchzen letztendlich aus den Schatten des Wohnzimmers dringt, greife ich nach meiner Taschenlampe und schalte sie ein. Ich wage nicht, den Strahl auf ihn zu richten. Stattdessen leuchte ich in Richtung der Treppe zum Obergeschoss und erstarre.
Der Dielenboden ist über und über mit Blut beschmiert. An manchen Stellen kann ich nur noch dunkle, dickflüssige Flecken erkennen, die in den Teppich eingetrocknet sind. Andere schimmern in einem gespenstischen Rot.
Der Gestank raubt mir den Atem. Als ich den Lichtkegel der Taschenlampe höher wandern lasse, kann ich Blutspritzer und schwarze Schlieren an den Wänden erkennen. Es ist eine schreckliche, unmenschliche Spur aus Blut, Schleim und dem Gestank von verwesendem Fleisch, die geradewegs auf die alte Holztreppe zuführt.
Als ich Fußspuren in den geronnenen Blutpfützen erkenne, muss ich all meine Überwindung aufbieten, um mich zögerlich weiter fortzubewegen, anstatt schreiend aus dem Haus zu laufen.
Oder mich Danny und seiner Apathie anzuschließen ...
Von dem kläglichen Wimmern meines Freundes
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