Graues Land (German Edition)
nach unten. Selbst die Haut ihrer Hände, die aus den zerrissenen Ärmeln einer ehemals weißen Bluse ragen, erscheint im bleichen Licht grau und ausgetrocknet.
Ich trete unweigerlich zurück, bis ich die mit Holz vertäfelte Wand des Korridors im Rücken spüre. Dabei wandert der Lichtkegel unstet über die gespenstische Erscheinung, taucht sie in willkommenes Dunkel, um sie gleich darauf wieder mit blasphemischer Gewalt in den kalten Strahl der Taschenlampe zu zerren. Der Gestank von stickiger Luft und Erbrochenem schlägt mir wie eine saure Woge entgegen und bringt mich zum Würgen.
Ich denke an Dannys Worte, als er Cindy – das Ding – mit untoten Kreaturen aus unzähligen Horrorfilmen verglich. In Gedanken sehe ich die Gestalt durch das Zimmer stürzen, die zu Klauen gekrümmten Hände nach mir ausgestreckt, während ein unartikuliertes Stöhnen der Kehle des Dings entsteigt. Selbst den lodernden, debilen Hunger nach menschlichem, warmem Fleisch kann ich in den finsteren Augen der heranwankenden Kreatur erkennen.
Doch nichts von all dem geschieht.
Cindy – ich komme nicht umhin, die bizarre Kreatur inmitten des Schlafzimmers immer noch als Dannys Frau und meine Nachbarin zu sehen – steht einfach nur da, starrt mich an und rührt sich nicht. Ihr welkes Gesicht gleicht einer reglosen Totenmaske, ohne jegliche Empfindungen. Ihr Blick scheint durch mich hindurchzugehen. Und doch spüre ich auf grauenvolle Weise, wie mich diese farblosen, tief in ihren Höhlen verborgenen Augen beobachten.
»Hilf mir«, dringt plötzlich ein heiseres Keuchen zwischen dem grauen Fleisch der Lippen hervor. Ein glitzernder Faden gelber Flüssigkeit tropft auf ihr Kinn.
Ein kleiner, noch lebendiger Teil meines Verstandes sagt mir, dass Cindy kein Mensch mehr ist. Sie scheint nicht einmal mehr am Leben zu sein, als hätte sie einfach vergessen, dass sie tot sein sollte. Wie kann sie da mit mir sprechen? Mein Verstand scheint mir einen seiner grausamen Streiche zu spielen.
Mein Blick fällt auf die Wunde an Cindys Hals. Dort, wo sich die Hauptschlagader befindet. Der Blutfluss, von dem mir Danny berichtet hat, ist versiegt. Die Haut ihres Halses gleicht auf die Entfernung einer düsteren Kraterlandschaft aus verwesendem Fleisch und braunen Knochen, die wie verstümmelte Zähne aus ihrem Innern herausragen. Ihre zerrissene Bluse ist mit einer schwarzen, verkrusteten Masse bedeckt, die mich an die getrockneten Blutspuren im Flur erinnert.
»Bitte«, flüstert die Kreatur leise.
Ihr Körper dreht sich in meine Richtung. Das Schaben ihrer bloßen Füße über den Holzboden ist das entsetzlichste Geräusch, das ich jemals gehört habe. Sie hebt ihren Arm ein Stück, als versuche sie, nach mir zu greifen. Ihre Finger bewegen sich wie zuckende Spinnenbeine. Dann fällt ihr Arm kraftlos an der Seite herab, schwingt wie der einer Marionette hin und her.
»Sieh, was aus mir geworden ist.«
Ihre schleppende Stimme schabt wie Schleifpapier durch meinen Verstand.
»Cindy ...«, beginne ich, doch mein Verstand versagt seinen Dienst. Ungläubig starre ich auf dieses Wesen, das einmal ein Mensch gewesen ist.
»Hilf mir ... Harv ... ich will nicht werden ... wie Sie ...«
Ich schüttele den Kopf, versuche die eisige Lähmung zu bezwingen, die mich fest in ihren Händen hält.
»Was ist geschehen?«, höre ich mich fragen und denke dabei an Dannys Worte. Seltsamerweise ist das Erste, woran ich denken muss, der Apfel, den Cindy in der Hand gehalten haben soll, als sie blutüberströmt ins Haus gewankt kam.
»Ich beginne zu vergessen«, stöhnt das Ding. Ein unartikulierter Laut steigt aus ihrer zerfetzten Kehle auf. »Diese Kreaturen machen uns ... zu ihresgleichen ...«
»Danny hat gesagt, du bist tot.«
Die Stimme, die mit Cindy spricht, scheint nicht meine eigene zu sein. Ich spüre den harten Kolben des Gewehres an meiner Hüfte und die eiserne Kälte des Abzugshebels unter meinem Zeigefinger. Unverständlicherweise zittert der Lichtkegel kaum, der jenes totenähnliche Wesen aus den Schatten des dunklen Zimmers reißt.
Ich schwimme in einem kalten Ozean, der mich betäubt.
»Ich kann nicht sterben«, weint Cindy. Etwas, das aussieht wie eine schwarze Träne, fließt aus ihrem Auge und zieht eine schmutzige Spur über die graue Wange. »Ich bin wie diese ... Kreatur. Sie hat mich gebissen und mir ihr ... Leben gegeben.«
Das Ding macht einen unbeholfenen, langsamen Schritt auf die Tür zu.
»Ich werde wie sie ... ich werde ein
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