Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
beschäftigt.
Astor
schulterte seinen Rucksack und entfernte sich von der Bergstation, um zum
Gipfelkreuz des Neunerköpfles hochzusteigen, wo der Höhenweg weiterführte.
Mehrere Gleitschirmflieger hatten abseits des Pfades bereits ihre Fluggeräte
ausgebreitet.
Astor
war dies alles vertraut. Oft genug schon war er diesen Weg gegangen – nicht
nur, wenn er diese Hüttentreffen besuchte, sondern auch bei einsamen
Wanderungen.
Die
Begrüßung bei der nahen Hütte fiel weitaus weniger herzlich aus als
normalerweise üblich. Statt Umarmungen gab es auf der Terrasse nur ein
Händeschütteln, das die depressive Stimmung nach Karins Tod spüren ließ. Nur
bei Aleen schien er eine herzliche Zuneigung zu spüren. Astor lehnte seinen
Rucksack an die Holzfassade der Hütte, während Josefina die entstandene Stille
durchbrach: »Schön, dass du noch hochgekommen bist.« Sie ging voraus in den
Wohnraum. »Wir haben gerade beschlossen, dass jeder den Sonntag so verbringen
soll, wie er will«, sagte sie und deutete den anderen an, am Holztisch Platz zu
nehmen. »Obwohl es so vieles gäbe, worüber wir reden müssten.« Sie schenkte
Astor ein Glas Apfelsaft ein.
»Ich
weiß«, erwiderte er, »dieser Inspektor war schon bei mir. Der tut zwar nur
seine Pflicht, aber ich werde das Gefühl nicht los, als würde er uns nicht so
recht trauen.«
»Wie meinst du denn das?«, fuhr Aleen kreidebleich
dazwischen.
Jensen versuchte, sie zu beruhigen: »Reg dich doch nicht
schon wieder auf. Wir haben ihm alles gesagt, was wir wissen.«
Mullinger schluckte, zog es aber erneut vor, zu
schweigen.
»Liebe Freunde«, begann Falkenstein, als wolle er eine
Predigt halten, während ihm Astors Goldkettchen auffiel, das zwischen Hals und
T-Shirt-Ausschnitt aufblitzte. »Wir sollten uns jetzt nicht unnötig beunruhigen.
Karin hatte sicher einen sehr großen Bekanntenkreis, und sie war sehr
attraktiv. Wir dürfen nicht annehmen, dass sie nur zu Hause gesessen ist.
Sicher gibt es noch viele freundschaftliche Beziehungen aus ihrer Zeit, als sie
mit Mario in der Schweiz gewohnt hat. Vielleicht … «, er überlegte kurz, »gibt es auch irgendwelche Dinge,
die sie aus Finanz- und Bankerkreisen weiß, was jetzt in diesen Krisenzeiten
dem einen oder anderen unangenehm sein könnte.«
»Entschuldige
bitte, Christoph«, empörte sich Jensen, als fühle er sich selbst angegriffen,
»das ist jetzt 14 Jahre her. Ich glaube, es wäre völlig unangebracht, sich in
Verschwörungstheorien zu verstricken.«
»Ich
wollte ja nur sagen, dass es keinen Grund gibt, einen etwaigen Täter nur in
unseren Kreisen zu suchen. Oder siehst du das anders?«
Jensen
winkte kommentarlos ab, worauf Astor sich gelassen zurücklehnte: »Wir müssen
uns damit abfinden, dass jeder von uns durchleuchtet wird. Alibi und so
weiter.«
»Alibi!«,
griff Aleen wieder ihr Reizwort auf. »Ich hab’s doch gesagt: Wir sind alle
dran.«
Astor
ließ sich davon nicht beirren. »Je mehr wir uns dagegen wehren würden, desto
stärker geraten wir in Verdacht. Und ich sage euch: Bei jedem – ich
wiederhole – bei jedem von uns wird es etwas geben, das einem Außenstehenden
unlogisch oder merkwürdig erscheint.«
»Das
verstehe ich jetzt aber nicht«, meinte Josefina, »wer stets gottesfürchtig lebt
und keine unanständigen Dinge macht, hat nichts zu befürchten.«
»Du
vielleicht«, entgegnete ihr Aleen nervös. »Aber es gibt genügend Leute, die
nicht das Glück hatten, so behütet und friedlich in dieser Idylle aufgewachsen
zu sein, wie du.«
»Ich
bitte euch«, mahnte Falkenstein zur Mäßigung. »Wir sollten mit der Kraft
unserer derzeit negativen Gedanken nichts heraufbeschwören, was nicht so ist.
Vor allen Dingen sollten wir uns nicht selbst zerfleischen. «
Mullinger
trank sein Glas leer und nutzte die kurze Gesprächspause, um sich zu erheben.
»Entschuldigt bitte, aber ich glaube, ich bin hier heute fehl am Platz. Was in
der Vergangenheit passiert ist, dazu kann ich nichts beitragen. Ich möchte das
schöne Wetter nutzen und eine Tour über die Berge machen. Drüben am Aggenstein
sitzen die Wolken schon auf. Es wird von Norden her etwas auf uns zukommen. Wir
können ja wieder miteinander telefonieren.«
Die
anderen fünf sahen ihn verwundert an. »Wie, du willst abhauen?«, fragte Jensen
scharf.
»Was
heißt abhauen?« Mullinger war bereits zur Tür gegangen und drehte sich jetzt
abrupt um. »Ich hab dem Inspektor gesagt, was zu sagen war. Und aus allem
anderen möchte ich
Weitere Kostenlose Bücher