Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
mich raushalten.«
»Du
bist aber nicht etwa feige?«, stichelte Astor. »Wir beide haben noch kein
einziges Wort miteinander gewechselt. Ich hätte dich gern persönlich
kennengelernt.«
»Tut
mir leid, ich Sie auch.« Er wagte es nicht, ihn zu duzen. »Wir haben dazu
sicher ein anderes Mal Gelegenheit. Ich mach mich jetzt auf den Weg zur
Landsberger Hütte, solange das Wetter noch hält. Es könnte Gewitter geben.
Entschuldigt mich also bitte.«
Mullinger
ließ sich nicht zurückhalten, nickte den anderen zu und verließ den Raum, um
seinen Rucksack von oben zu holen. Eine Minute später sah ihn Jensen, der von
seinem Platz aus durchs Fenster die Terrasse überblicken konnte, zum Wanderpfad
hochsteigen.
»Komischer
Kauz«, meinte Astor.
»Sehe
ich nicht so«, widersprach Falkenstein. »Man kann sich sehr gut mit ihm
unterhalten.«
Nach einigen Sekunden der Stille, während der nur das
Kreischen der Bergdohlen zu hören war, holte Josefina tief Luft und sagte:
»Also, wie besprochen: Jeder macht heute, was er will. Genießt den herrlichen
Tag!« Sie sah aus dem Fenster hinüber aufs Bergpanorama. »Es macht wirklich
keinen Sinn, hier rumzuhängen. Wenn ihr Lust habt, sehen wir uns später wieder.
Ich bleibe bis morgen Abend hier. Die Hütte steht euch offen.«
Sie brauchte jetzt ihre Ruhe. Zum Nachdenken und Beten.
Außerdem wollte sie sich das freie Wochenende nicht völlig verderben lassen.
Ginge sie ins Tal zurück, wäre sie sofort wieder in die Tretmühle ihrer
Landwirtschaft eingespannt.
»Sag mal«, ignorierte Astor ihren Vorschlag und wandte
sich an Jensen: »Wie war das damals mit dem Flug? Du wolltest doch auch mit
dieser Maschine fliegen, oder?«
»Was
soll jetzt diese alte Geschichte?« Jensen war es sichtlich unangenehm, dass
dieses Thema angesprochen wurde. »Der Herrgott hat mich davor bewahrt, dass ich
mit Mario zurückgeflogen bin. Das war ein geschäftlicher Termin, der mich in
New York aufgehalten hat. Das weißt du ganz genau. Ich halte es für völlig
deplatziert, ausgerechnet jetzt darüber zu sprechen.«
»Ich
mein ja nur«, bemerkte Astor gelassen. »Aber auch das könnte dem Inspektor
irgendwann aufstoßen – und dann solltest du eine Antwort parat haben.«
»Jetzt
hör doch auf«, unterbrach in Jensen verärgert. »Willst du hier jetzt Unruhe
stiften, oder was?«
»Liebe Freunde«, Falkenstein fuhr mit sonorer Stimme
dazwischen, »wir sind alle etwas aufgeregt, um nicht zu sagen, in einer
Ausnahmesituation.« Im Augenwinkel hatte er durchs Fenster eine Bewegung
bemerkt. Er drehte sich um und stieß erstaunt hervor: »Schaut mal, wer da kommt.«
57
Häberle hatte seinen
österreichischen Kollegen auf Anhieb sehr sympathisch gefunden. Sie waren
gleich auf derselben Wellenlänge gewesen: Beide etwa im gleichen Alter, beide
bodenständig und mit der Mentalität der Menschen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsgebiet
vertraut.
Grantner
hatte ihn am Campingplatz abgeholt. Während der Gondelfahrt ließ sich Häberle
die Situation am Tatort schildern und mit allen bisherigen
Ermittlungsergebnissen vertraut machen. Oben angekommen, führte Grantner seinen
Kollegen zielstrebig zur Hütte, wo sie offenbar bereits bemerkt worden waren.
Zwei Frauen und drei Männer kamen auf die Terrasse heraus, um den herannahenden
Besuch zu empfangen. Ein paar Schritte vor ihnen rief ihnen Grantner sein
wienerisches »Grüß Gott« entgegen und stellte ihnen seinen deutschen Kollegen
Häberle vor. Der Chefermittler aus Göppingen schüttelte jedem die Hand und ließ
sich den jeweiligen Namen nennen.
»Jetzt
habt’s einen aus Deutschland vor euch«, knurrte Grantner triumphierend.
Häberle
ging zunächst nicht darauf ein, sondern bewunderte die Aussicht – die
steilen Wiesen- und Geröllhänge der umliegenden Berge. Allerdings zog der
Himmel langsam zu. Schade um die Herz-Jesu-Feuer, dachte Häberle. Aber
vielleicht würde die Bewölkung bis zum Abend nicht noch weiter absinken.
Josefina
führte die beiden Besucher in die Hütte und bot auch ihnen Apfelsaft an,
während sie sich alle wieder am Holztisch niederließen.
»Ich
hab dem Herrn Kollegen aus Deutschland bereits berichtet, was Sie ausgesagt
haben. Er will sich jetzt selbst ein Bild verschaffen und hat noch ein paar
Fragen mitgebracht.«
»Sie
widmen sich interessanten Themen«, stellte Häberle anerkennend fest, um die
Lage zu sondieren. Er nahm einen kräftigen Schluck.
»Betrachten
Sie es als Hobby.« Jensen trat als gewandter
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