Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
angezogen hatte, dort vorbeigehen,
zumal in derselben Reihe auch das GP-Wohnmobil dieser offenbar alleinstehenden
Camperin stand.
Häberle
stieg wieder in seinen Wagen, zwängte sich in die Nasszelle und rasierte sich.
Dabei unterbrach ihn der schrille Ton des Handys, das in Reichweite auf der
Küchenzeile lag. Er schaltete den Rasierer ab und griff zu dem Gerät. Auf dem
Display wurde eine Telefonnummer angezeigt, die mit der österreichischen
Vorwahl begann.
»Ja,
Häberle«, meldete er sich.
»Grantner,
guten Morgen, Herr Kollege. San S’schon wach?«, hörte er die Stimme.
»Gerade
so, ich bin ja schließlich nicht im Urlaub.«
»Schlechte
Nachricht«, kam es knapp zurück.
Häberle ließ sich auf die Sitzgruppe sinken. »Und?«,
fragte er so sachlich, wie es nur einer tun konnte, den der jahrelange
berufliche Umgang mit Hiobsbotschaften abgehärtet hatte.
»Dieser
Mullinger ist tot.«
»Was?«
Häberles Müdigkeit war wie weggeblasen. Mit allem hatte er jetzt gerechnet,
nicht aber mit so einer Nachricht. »Mullinger?«
»Ja,
der junge Mann«, erklärte Grantner ebenso emotionslos. »Sie haben ihn vor einer
Viertelstunde beim Abstieg von der Landsberger Hütte zum Vilsalpsee tot
aufgefunden. Er ist dort abgestürzt.«
»Abgestürzt?«
»Ja, so
heißt es. Zwei Frühwanderer haben ihn im Geröll liegen sehen und die Rettung
gerufen. Die Bergwacht hat ihn mit dem Hubschrauber geborgen. War aber schon
tot.«
»Und
wann – ich meine: Wann ist das passiert? Heute schon oder gestern?«
»Fragen
S’ mich net, Herr Kollege. Die auf der Hütt’n wiss’n’s auch net. Allerdings ist
etwas ganz außergewöhnlich an der Sache.«
»So?«
»Mullinger
ist ohne seinen Rucksack abgestürzt. Der befindet sich nämlich noch in der
Hütte.«
»Ach.«
Noch ehe Häberle etwas erwidern konnte, wurde Grantner deutlich: »Jetzt passen
S’auf, Herr Kollege. Wir flieg’n mit dem Hubschrauber rauf. Kommen S’ in 20
Minuten zur Talstation der Seilbahn. Wir starten gegenüber. Auf dem neuen
Parkplatz direkt an der Straße. Dort ist auch der Landeplatz der Paraglider. Da
holt uns die ›Libelle‹ ab. Schaffen S’ das in 20 Minuten?«
Häberle
wusste, dass mit Libelle der Polizeihubschrauber gemeint war. Er sah auf die
Armbanduhr. »Natürlich schaff ich das.«
67
Als Linkohrs Handy den
schrillen Alarmton verbreitete, steckte es in seiner Jacke. Und diese lag auf
der Couch, auf der sich auch seine restlichen Kleider unordentlich türmten. Er
nahm dieses Geräusch nebenan in Nenas Schlafzimmer nur im Unterbewusstsein
wahr. Auch dass Nena halb auf ihm lag und sie sich Haut an Haut so heftig nahe
gekommen waren wie nie zuvor, hatte er noch nicht realisiert. Es dauerte noch
einige Sekunden, bis der Signalton von nebenan seinen tiefen Schlaf
durchdringen konnte.
Nena
hingegen atmete noch gleichmäßig. Ihr heißer Atem traf seine Brust. Er spürte
einen Schmerz in seinen Schultergelenken, und erst, als er seine Arme, die
beide zum Kopfende des Bettes gestreckt waren, herunternehmen wollte, wurde ihm
bewusst, dass Nena ihn in eine hilflose Situation gebracht hatte.
Mit
einem Schlag war die Erinnerung an den vergangenen Abend wieder da. An Nenas
wilde Begeisterung, ihn an die Metallverzierung am Kopfende des Bettes zu
fesseln. Dazu hatte sie zwei Handschellen hervorgezaubert, die sie als
angebliches Dekomaterial im Ambientebereich eines Möbelhauses erworben hatte.
Sie
hatte sich tatsächlich wie wild gebärdet, als er nackt und hilflos vor ihr auf
dem Bett gelegen war. Dass er sich mit den Beinen zur Wehr setzte, wenn sie
allzu heftig wurde, hatte sie nur noch mehr erotisiert und in Ekstase versetzt.
Und nun
lag er da mit Schmerzen an Schulter- und Handgelenken und überlegte, ob er sie
wecken sollte. Außerdem müsste er ganz dringend seine Blase entleeren.
Der
Signalton des Handys war jener, den er Häberles Anrufen zugeordnet hatte.
Inzwischen war es wieder still, und Nena schien mit einem tiefen Seufzer in die
Wirklichkeit zurückzukehren.
»Nena,
Mäuschen«, brummte Linkohr.
»Hm«,
machte sie, ohne die Augen zu öffnen. »Mein Gefangener ist ja noch da.«
»Der
hat auch nicht entwischen können, mein Mausilein«, erwiderte Linkohr.
»Ob ich
ihn noch den ganzen Tag hier schmoren lassen soll?«, flüsterte sie und kitzelte
ihn an einer Brustwarze.
»Das
solltest du nicht. Auch Gefangene haben das Recht, aufs Klo zu gehen.«
»Was
mit dem Gefangenen geschieht, bestimme ich«, hauchte Nena.
Linkohr
war
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