Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
Studiengang Gesundheits- und Tourismusmanagement entschieden, weil
er im Tourismus ein großes Zukunftspotenzial sah. Mit Interesse verfolgte er
deshalb auch die hitzig geführte Diskussion um einen Waldwipfelpfad, der nach
den Wünschen der auf Fremdenverkehr bedachten Landkreispolitiker im nahen
Wiesensteig entstehen sollte. Dort jedoch standen die Enthusiasten, die sich
eine touristische Attraktion versprachen, den erbitterten Gegnern gegenüber,
die eine Verrummelung der beschaulichen Alblandschaft befürchteten. Steilhänge
und Felsplateaus, so argumentierten sie, böten auch ohne Hängebrücken und Stege
einen natürlichen Blick über die Baumwipfel hinweg.
Mullinger hatte während der Vernehmung von Aleen
genügend Zeit gehabt, sich auf die Fragen des Chefinspektors vorzubereiten.
Doch das konzentrierte Nachdenken war nicht zuträglich gewesen. Inzwischen fiel
es ihm schwer, die Chronologie seines Vormittags auf die Reihe zu bringen. Es
war ihm auch sichtlich unangenehm, dies alles vor den anderen offenbaren zu
müssen.
»Sie
sagen also, Sie seien schon gestern angereist – mit
Ihrem Campingbus«, fasste Grantner die ersten Angaben zusammen. »Ich nehme an,
allein.«
»Ja,
allein, natürlich«, bestätigte Mullinger. »Ich bin immer allein unterwegs.«
»Und
dann haben Sie auf dem Campingplatz in Grän genächtigt«, fuhr Grantner geduldig
fort. »Ihr VW-Bus hat auch eine Kochgelegenheit?«
»Eine
kleine, aber für mich ausreichend.« »Jetzt erzählen S’ doch mal, was heute früh
war. Sie san aufg’stand’n«, wieder kam Grantners Wiener Dialekt durch, »und
dann?«
»Ich
bin ins Hallenbad, gleich, nachdem es offen war. Um halb acht.« Mullinger
stockte.
»Da san
S’dann g’schwommen – versteh ich. Allein oder war’n noch andere da?«
»Es
waren noch andere da. Vier, fünf Personen vielleicht. Ältere Herrschaften,
soweit ich mich entsinne.«
»Die
Sie aber nicht kennen?«
»Nein.
Ich kenne sie nicht.«
»Besonderheiten?
Ist Ihnen was aufg’fall’n?«
Mullinger
überlegte, was Grantner damit meinen konnte. »Was soll mir aufgefallen sein?«
Der
Chefinspektor lehnte sich zurück, während die anderen am Tisch das Gespräch
gespannt verfolgten. »Das frage ich Sie. Es war also ein Morgen wie jeder
andere.«
»Was
heißt ›wie jeder andere‹? Ich kann das nicht beurteilen, ich war nie zuvor da.«
Mullinger hatte sein Selbstbewusstsein wieder gefunden.
»Und dann? Sie haben das Bad wieder verlassen«, stellte
Grantner fest, um den jungen Mann zu weiteren Schilderungen zu ermuntern.
Mullinger schossen tausend Gedanken durch den Kopf. Vor
seinem geistigen Auge sah er den Mann mit dem Goldkettchen, an dem dieses
seltsame Schmuckstück hing, und dem er später noch einmal begegnet war. Und er
musste an den anderen denken, der ihn im Wasser gefragt hatte, ob er auch zu
denen gehöre, die sich auf den Weltuntergang vorbereiteten. Außerdem war da
noch diese Frau, die ihn von der Galerie aus angestarrt hatte. Nein, das tat
jetzt nichts zur Sache, beschloss er. Obwohl ihm diese Frau nicht mehr aus dem
Kopf ging.
»Ich hab’ das Bad wieder verlassen«, knüpfte er an
Grantners Feststellung an.
Grantner
zog eine seiner buschigen Augenbrauen hoch und beobachtete seinen jungen
Kollegen, der eifrig Notizen machte. »Und dann?«
»Bin
ich joggen gegangen. Frühsport. Mach ich immer, jeden Tag.«
»Wie?«,
staunte der Chefinspektor. »Sie gehen zuerst baden und dann joggen? Ist das
nicht eine ungewöhnliche Abfolge der Dinge?«
Mullinger
hatte auf diese Frage gewartet. »Hinterher seh’ ich’s auch so. Aber ich hatte
plötzlich Lust dazu.«
»Und
wohin sind Sie gejoggt?«
Der
Student runzelte die Stirn. »Vom Campingplatz aus so ein paar Feldwege runter
Richtung Tannheim und wieder zurück.«
»So,
nach Tannheim«, wiederholte Grantner bedächtig. »Wie weit runter?«
Mullinger
schluckte. »Bis zur Seilbahn und wieder zurück.«
Josefina,
Jensen und Aleen sahen sich nacheinander an.
»Bis
zur Seilbahn san S’ joggt«, nickte Grantner gelassen. »War die Bahn da schon in
Betrieb?«
Mullinger
zuckte mit den Schultern. »Das kann ich Ihnen nicht sagen, Herr Kommissar.«
»Chefinspektor«,
korrigierte ihn Grantner. »In Österreich gibt’s keine Kommissare.«
»Entschuldigen
Sie, aber ich kenn mich in Ihren Dienstgraden nicht aus.«
»Macht
nichts. Ist nur eine Formsache. Also«, kam er wieder auf den Ablauf des
Geschehens zurück, »Sie joggen wieder zum Campingplatz zurück –
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