Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
nach.
Linkohr
holte seinen Notizblock aus seiner Freizeitjacke, blätterte darin und fand die
Daten: »24. August, vorigen Jahres. 2011.«
Marbold
gab seinem Stellvertreter ein Zeichen, der daraufhin den Raum verließ.
»Wir
können in der Krankenakte prüfen, ob es Besonderheiten gegeben hat.«
Linkohr
fühlte sich unbehaglich, versuchte aber, sich dies nicht anmerken zu lassen.
»Eine ganz allgemeine Frage«, durchbrach er die entstandene Stille, »kommt es
eigentlich oft vor, dass sogenannte Geistheiler zurate gezogen werden?«
Marbold
lächelte abschätzig und brachte damit zum Ausdruck, wie laienhaft er diese
Frage empfand. »Von uns sicher nicht. Aber wie ich schon erwähnte, wir können
den Patienten nur raten, auf die Schulmedizin und den Stand der Wissenschaft zu
vertrauen. Aber Sie wissen sicher selbst, dass der Glaube an vermeintliche oder
möglicherweise auch echte Heilsbringer weite Verbreitung gefunden hat.
Inwieweit der Placebo-Effekt eine Rolle spielt, kann und will ich nicht
beurteilen. Ein alter Spruch lautet: Wer heilt, hat recht. Manches mag Zufall
sein, anderes auch den Selbstheilungskräften des Körpers geschuldet sein – wodurch diese dann auch immer aktiviert wurden. Vielleicht durch festen Willen,
Glaube oder was auch immer.«
Linkohr
nickte aufmerksam. Eine solche Aussage hatte er diesem Schulmediziner gar nicht
zugetraut.
»All
dies kann man dem weiten Feld der Geistheilung zuordnen – bis
hin übrigens zu der Quantenheilung, womit sich neuerdings Heilpraktiker
befassen.«
Der
Kriminalist wunderte sich, dass Marbold ausgerechnet dies ansprach. Linkohr
hatte erst vor Kurzem von einem Bekannten erfahren, dass es so etwas gab.
Dessen entzündete Achillessehne war nach dem Besuch einer Heilpraktikerin, die
sich mit dieser Methode beschäftigte, schlagartig schmerzfrei.
»Aber
erwarten Sie keine Wunder«, hörte er Marbolds Stimme, der vermutlich bemerkt
hatte, dass der Kriminalist kurz ins Grübeln geraten war. »Ich würde keinem
raten, auf die Schulmedizin zu verzichten. Vor allem dann nicht, wenn
schwerwiegende Erkrankungen vorliegen. Außerdem haben Sie natürlich recht, Herr
Linkohr, dass sich auf diesem Feld viele Scharlatane bewegen, die Ihnen mit
schönen Worten und großspurigen Erklärungen immer neue Behandlungsvarianten
verkaufen, beziehungsweise durch horrende Honorare in Rechnung stellen.«
Marbold nahm einen Schluck aus der Tasse und fuhr anschließend bedächtig fort:
»So gesehen, möchte ich Ihnen gar nicht widersprechen, dass es Versuche gibt,
insbesondere ältere Menschen auf diese Weise um ihr Vermögen zu bringen. Aber
glauben Sie mir, nicht über eine Klinik. Wenn, dann nur über einen Besucher,
den der jeweilige Patient oder – falls dieser nicht mehr in der
Lage ist, selbst darüber zu bestimmen – ein
Angehöriger zulässt.«
»Aber
mal angenommen«, hakte Linkohr nach, obwohl er den unerwarteten Redeschwall
seines Gegenübers nicht unterbrechen wollte, »es könnte sein, dass irgendein
Geistheiler Kontakt zu einem Klinikbediensteten hat, der ihm den Zugang zu
einem Intensivpatienten ermöglicht.«
»Herr
Linkohr, das ist ziemlich hypothetisch. Erstens ist nicht immer ein und
dasselbe Team im Haus – und zum anderen müsste jeder sogenannte Geistheiler, der illegal
vorgelassen würde, stets damit rechnen, dass noch andere Klinikmitarbeiter
kämen und sich über seine Anwesenheit wundern würden.«
»Aber
wenn es gar keine Angehörigen gäbe?«
»Entschuldigen
Sie, aber ich glaube, jetzt dreht sich unser Gespräch im Kreis.«
Linkohr
war froh, dass in diesem Augenblick die Tür aufging und Müller wieder
hereinkam. Er hatte einen Aktenordner dabei und legte ihn auf den Tisch. »Was
Sie jetzt sehen und zu hören bekommen«, sagte Müller, »das unterliegt strenger
Geheimhaltung und ist vertraulich. Und darf erst nach staatsanwaltschaftlicher
Anordnung in das Verfahren eingeführt werden.«
Marbold
zog die Akte zu sich herüber und blätterte darin. »Sie haben recht, es handelt
sich um Irene Rattinger, geboren am 19. August 1921, geborene Platterstein.«
Linkohr
war sofort ganz aufmerksam, versuchte aber, sich sein gesteigertes Interesse
nicht anmerken zu lassen. Er lauschte weiter den Ausführungen Marbolds:
»Verstorben am 24. August 2011, akutes Herzversagen. Keine besonderen Hinweise,
weder während ihres dreitägigen Aufenthalts in unserer Klinik, noch bei der
Abwicklung des Todesfalls.«
Eigentlich war Linkohr bereits zufrieden, tat jedoch
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