Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
zur
anderen Talseite zum Neunerköpfle hinüber, über dem sich ein paar Quellwolken
gebildet hatten. »Ein super Bergwetter. Sollten Sie ausnütz’n. Vielleicht
kommen mal Tage, wo Sie das nicht mehr können.«
Fischer
zuckte zusammen. Er musste an Gefängnisse und enge Zellen denken.
42
Rosa Pallatin war eine rüstige
Rentnerin, knapp 70 und verwitwet. Linkohr hatte sich zwar telefonisch
angekündigt, hielt der Dame an der Haustür aber trotzdem artig seinen
Dienstausweis entgegen. Das kleine Häuschen, in das er geführt wurde, fügte
sich harmonisch in das sonnige Wohngebiet am Südhang des Schurwaldes ein. Hier
in dem beschaulichen Örtchen Baiereck gab es für Kriminalisten äußerst selten
einen Anlass, dienstlich tätig zu werden. Dass Linkohr an diesem frühen Samstagnachmittag
dorthin gefahren war, lag an den Daten, die die EDV-Experten in Karin Waghäusls
Computer entdeckt hatten. Demnach zählte Frau Pallatin zu den Opfern dubioser
Werbefahrten, für die es auf der Festplatte des Rechners eine Auflistung gab.
Linkohr sank in einen ziemlich durchgesessenen Sessel,
während der Kuckuck einer aufwendig geschnitzten Pendeluhr lautstark die erste
Nachmittagsstunde verkündete.
»Das
ist aber schön, dass Sie sich als junger Mann um uns Alte kümmern. Sogar noch
am Wochenende.« Die Dame hatte sich offenbar ihr feinstes Sonntagskleid
angezogen, dachte Linkohr und musste unweigerlich an seine verstorbene Oma
denken, deren Wohnung ebenfalls mit Möbeln längst vergangener Stilrichtungen
eingerichtet war. Die Tapete wies kräftige Ornamente auf, überm Couchtisch
hingen drei kristallene Lampengläser.
Der
Kriminalist beschloss, die Frau in dem Glauben zu belassen, es ginge ihm einzig
und allein um die Machenschaften der Anbieter von dubiosen Kaffeefahrten.
Vermutlich würde sich die Rentnerin erschrecken, wüsste sie, dass die
Ermittlungen im Zusammenhang mit einem Mordfall standen. Am Telefon hatte er
lediglich erklärt, eine andere Dame habe sie als geschädigte Teilnehmerin
genannt.
»Erzählen
Sie doch einfach mal, wie das mit dieser Werbefahrt war und wohin’s gegangen
ist«, kam Linkohr gleich zur Sache.
»Naja,
es war so ein Gewinnspiel, müssen Sie wissen. Ich bekam da einen Brief, in dem
es hieß, ich hätte Gutscheine und Reiseschecks gewonnen, die ich einlösen
müsse.« Sie zögerte, weil es ihr offenbar peinlich war, auf solche Tricks
hereingefallen zu sein. »Es ging um 193,40 Euro. Und um das angebliche Konto
auflösen zu können, würde ich zu einer interessanten Info-Show – ja, so
sagt man doch wohl – eingeladen, bei der mir die Firma das Guthaben aushändigen
wolle.« Sie hatte den Brief aufgehoben. Er lag auf dem Couchtisch. »Da steht
es: ›Das Guthaben wird Ihnen in voller Höhe übergeben‹«, las sie vor und zeigte
sich noch immer empört darüber, dass alle anderen 34 Teilnehmer angeblich auch gewonnen
hatten.
Immerhin,
so erfuhr Linkohr weiter, war das Ziel ein renommiertes Hotel in Geislingen
gewesen; normalerweise ging’s eher in eine drittklassige Gaststätte weitab der
Zivilisation, wo die Teilnehmer nicht ›flüchten‹ konnten.
Noch
immer konnte Frau Pallatin es nicht fassen, dass 34 weitere Personen unter
demselben Vorwand zu der angeblichen Gewinnübergabe gelockt worden waren.
Jedenfalls habe sich dies im Omnibus rasch herumgesprochen, sodass nach der
dreiviertelstündigen Fahrt zum Ziel bereits erster Unmut laut geworden sei.
Aber der rhetorisch bestens geschulte Groß- und Schnellschwätzer, der sich als
Martin vorgestellt habe, sei auf solche lächerlichen Einwände gar nicht
eingegangen. »Eine Unverschämtheit war das in der Einladung versprochene
›leckere Frühstück‹«, erboste sich die Rentnerin, »und dies, obwohl wir in
einem Hotel waren.« Martin habe pro Person nur eine einzige Tasse Kaffee und
ein belegtes Brötchen servieren lassen. Außerdem seien danach zwei Euro
Eintritt kassiert worden.
Dann, so berichtete die Frau weiter, während sich Linkohr
Notizen machte, habe besagter Martin auch erklärt, was es mit dem angeblich
gewonnenen Reisescheck auf sich habe: Es sei ein ›Fernreisescheck‹, dessen
Guthaben auf einem ›Travel-Konto‹ liege. »Und das hat er uns so hochnäsig
erklärt, als seien wir Deppen, die dies doch hätten wissen müssen.« Einzulösen
wäre der Scheck beim Buchen einer Türkeireise gewesen, wobei eine zweite Person
kostenlos hätte mitreisen dürfen. »Aber«, schilderte die Dame weiter, »Fragen
über
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