Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)

Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)

Titel: Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bomm
Vom Netzwerk:
Doch
alle anderen Gesichter, die ihm in solchen wachen Nächten oder wenn er tagsüber
zu schlafen versuchte, ins Unterbewusstsein projiziert wurden, kannte er nicht.
Sie tauchten auf und verschwammen, während sich neue formten und wie bei einer
Computer-Animation seitlich oder nach oben entschwanden. Wenn dieser Film
ablief, konnte er sich auch nicht dagegen wehren. Andererseits war dieses
Phänomen aber nicht bewusst herbeizuführen.
    Mullinger
hätte nicht sagen können, wie lang er schon so da lag, an Larissa dachte, zum
Dachfenster sah und dann wieder die Augen schloss, um sich von den
grau-schwarzen Schlieren neue Gesichter vorführen zu lassen. Doch dann war da
plötzlich ein Geräusch. Dumpf, kurz, nicht sonderlich laut. Aber es passte
nicht in die Nacht. Mullinger hielt den Atem an. All seine Sinne waren in
Alarmbereitschaft versetzt, denn seinem Körper war ein gewaltiger Adrenalinstoß
verpasst worden. Schritte? Eine Holzdiele knarrte. Nur ein einziges Mal. Aber
vernehmbar.
    Mullinger
atmete flach. Stille. Totenstille. Nicht ganz. Das gleichmäßige Atmen von
Jensen und Falkenstein war zu hören. Die beiden schliefen tief und fest.
Vermutlich war der Rotwein daran schuld, dem sie nach Larissas Weggang wieder
reichlich zugesprochen hatten.
    Mullinger lauschte angestrengt. Die Stille, wie er sie
in dieser Nacht bisher nicht bewusst wahrgenommen hatte, wirkte plötzlich
bedrohend. War es wirklich still? Mullinger glaubte, ein sanftes Rauschen zu
hören. Ohrengeräusche? Der Blutdruck? Sein Schädel brummte. Hatte er doch schon
geschlafen und dieses dumpfe kurze Poltern nur geträumt? Doch da war wieder
etwas. Ein kaum vernehmbares Klicken, ganz weit entfernt. Von unten. Vielleicht
war eine der beiden Frauen von nebenan zur Toilette gegangen, suchte er nach
einer beruhigenden Erklärung. Josefina oder Aleen.
    Aber warum schlich sie dann durch die Hütte? Außerdem gab
es hier oben auch eine Toilette. Mullinger war nach diesem Klicken davon
überzeugt, dass es von unten gekommen war. Verursacht durchs Öffnen der
Haustür.
    Er beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen, schlug
die Wolldecke vorsichtig zur Seite und tastete nach seiner winzigen
LED-Taschenlampe, die er neben die Matratze gelegt hatte. Der dünne Lichtschein
reichte aus, um ihm Orientierung zu verschaffen. Er schlüpfte in Jogginghose,
Pullover und Hüttenschuhe, kämpfte dabei gegen die Auswirkungen des Alkohols
und schlich mit wenigen Schritten zur Tür, die einen Spalt weit offen stand.
Dass die Dielen zweimal knarzten, war nicht zu vermeiden, doch Falkenstein und
Jensen schliefen weiter.
    Mullinger ließ den Strahl seiner Lampe durch den schmalen
Flur zucken, sah, dass auch die Tür zum Schlafraum der Frauen nur angelehnt
war, und wandte sich der nach unten führenden Holztreppe zu. Dort war es
stockfinster. Er knipste trotzdem die Lampe aus, griff zum Geländer und folgte
ihm Schritt für Schritt langsam abwärts – sanft mit den weichen Hüttenschuhen auftretend, um
möglichst kein Geräusch zu verursachen.
    Der untere Flur zeichnete sich in der Dunkelheit ab,
weil durch ein Fenster das sanfte Dunkelgrau der Sternennacht hereindringen
konnte. Die Haustür, so erkannte Mullinger beim weiteren Herabkommen, stand
jedenfalls nicht offen. Er hatte inzwischen die letzte Stufe verlassen und
entschied, in den Wohnraum hinüber zu schleichen, dessen Tür halb offen war.
Jetzt hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, sodass er die Umrisse
des Mobiliars erkennen konnte. Er achtete darauf, weder an den Stühlen noch am
Tisch anzustoßen und tastete sich zu jenem Fenster, von dem er wusste, dass von
dort aus die Terrasse und der Steilhang vor der Haustür zu überblicken war.
    Für einen Augenblick kam er sich schäbig vor. Er schlich
hier als Gast durch die Hütte und maßte sich an, die anderen zu überwachen.
Vielleicht waren Josefina oder Aleen nur rausgegangen, um eine Zigarette zu
rauchen. Aber keine von beiden hatte er den Tag über mit einem Glimmstängel
gesehen.
    Möglich aber auch, dass eine der beiden Frauen genau wie
er nicht einschlafen konnte, und nur frische Luft schnappen wollte. Allerdings
war es in dieser Höhe viel zu kalt, um mitten in der Nacht im Freien zu stehen.
Dass sich diese Person entsprechend angezogen hatte, erschien Mullinger
ziemlich unwahrscheinlich, denn dies hätte im Schlafraum gewiss Lärm
verursacht. Gerade das aber hatte sie wohl vermeiden wollen – zumindest deutete ihr Verhalten darauf hin,

Weitere Kostenlose Bücher