Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
überflog die glimmenden Diodenleuchten, die
Kontrollen für ABS und EPS, die Anzeige für den Tempomaten und die Symbole für
die elektrischen Fensterheber, die Heckheizung, die Klimaanlage. Aber wo war
die Zentralverriegelung? Oder verriegelte sich der Wagen während der Fahrt
automatisch?
Larissas
rechter Fuß presste wie verkrampft das Bremspedal des Automatik-Wagens nieder,
um ihn vollends zum Stillstand zu bringen. Denn das Motorrad hatte einen
knappen Linksbogen beschrieben und angehalten. Die Beine des Fahrers berührten
den Boden. Jetzt war der Weg versperrt.
Die
Person schwang sich mit ihrer Schutzkleidung elegant vom Sitz und bockte die
Maschine mit einem kräftigen Ruck auf. Larissa starrte auf die gespenstische
Szenerie vor ihr. Gleich würde die Person auf sie zukommen. Noch trug sie den
Schutzhelm, in dem die Lichter des Geländewagens reflektierten. Es war wie eine
Maskierung, durchzuckte es Larissa. Womöglich blitzte gleich eine Waffe auf.
Larissas
panischer Blick erfasste endlich die gelbe Glimmleuchte für die
Zentralverriegelung. Mit zitterndem Finger drückte sie auf den Knopf und nahm
das satte Einrasten der Schließmechanismen wie eine Erlösung wahr.
Aber was half ihr dies? Ein Schuss durch die
Windschutzscheibe, und sie hätte keine Chance mehr. Sie musste an ihre Mutter
denken, die gestern kaltblütig ermordet worden war. Wer so etwas tat, schreckte
vor weiteren Morden nicht zurück. Im Bruchteil einer einzigen Sekunde jagten
Tausende Gedanken durch ihren Kopf. Hatte dies alles mit dem Flugzeugabsturz
ihres Vaters zu tun? War dieses Unglück gar kein Zufall gewesen? Aber warum
richtete sich der Hass irgendwelcher Verbrecher auch gegen ihre Mutter – und jetzt sogar gegen sie?
Larissa umklammerte das Lenkrad, spürte, wie ihr Fuß auf
dem Bremspedal zu schmerzen begann und starrte nach vorn, wo die abgeblendeten
Scheinwerfer ihres Autos eine Szenerie erhellte, als würde sie für einen
Kriminalfilm ausgeleuchtet. Die Person, die in schwarze Motorradkleidung
gehüllt war, kam wie in Zeitlupe auf sie zu. Bewegung und Gestalt ließen keinen
Zweifel daran, dass es eine Frau war. Larissa nahm’s erleichtert zur Kenntnis.
Obwohl sie das Gesicht unterm Schutzvisier des Helms nicht erkennen konnte,
erschien es ihr, als sei das Allerschlimmste noch einmal an ihr vorübergegangen.
Aber, so meldete sich eine innere Stimme, warum sollte diese Frau nicht minder
grausam und kaltblütig sein wie ein Mann?
Nur schätzungsweise 20 Schritte trennten sie
voneinander. Larissa stockte der Atem, in ihrem Kopf dröhnten dumpfe Schmerzen.
Sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe. Noch 15 Schritte. Die Frau hob die Arme
und machte Bewegungen, die Larissa nicht einzuordnen vermochte. War es ein
freundliches Winken? Waren es Zeichen, die nach Hilfe verlangten?
Als sie
noch wenige Schritte von der linken Fahrzeugseite entfernt war, griff die Frau
zu ihrem Helm, löste die Schnallen und nahm ihn ab. Ihr Gesicht war zu einem
Lächeln verzogen. Larissa schwankte zwischen Erleichterung, ungläubigem Staunen
und panischer Angst. War es ein überhebliches, ein triumphierendes Lächeln, das
sie sah? Oder ein sympathisches? Larissas Kehle war trocken, ihr ganzer Körper
bebte. Sie fror.
53
Die Frau da draußen
telefonierte tatsächlich. Es war eindeutig Aleen. Mullinger stand seit fünf
Minuten dicht an den Fensterrahmen gedrückt und seine Augen hatten sich
inzwischen erstaunlich gut an die Dunkelheit gewöhnt. Er sah, wie die Frau
immer mal wieder gestikulierte, als wolle sie ihrem Gesprächspartner zum
wiederholten Mal etwas ganz Wichtiges schildern. Was hatte Aleen zu dieser
späten Stunde so Bedeutsames zu besprechen? Geschäftlich konnte es wohl kaum
sein, überlegte der junge Mann. Okay, dachte er, vielleicht gab es irgendeinen
Liebhaber, mit dem sie nach den stressigen Stunden des Tages noch einige
erotische Worte wechseln wollte. Aber ganz so gemütlich war es da draußen
bestimmt nicht. Mullinger schätzte die Temperatur in dieser Höhe auf maximal
sieben Grad.
Plötzlich
wurde ihm bewusst, dass er sich wieder unbemerkt davon schleichen musste.
Zumindest bis zum oberen Flur sollte ihm dies gelingen. Würde er dann von den
anderen ertappt, konnte er sich schnell in die Toilette retten, um einen Grund
für sein Wachsein vorzutäuschen.
Er ließ
den leicht angehobenen Vorhang langsam in seine natürliche Position
zurückgleiten und schlich vorsichtig zur halb offenen Zimmertür zurück, um im
Flur kurz zu
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