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Grave Mercy Die Novizin des Todes

Grave Mercy Die Novizin des Todes

Titel: Grave Mercy Die Novizin des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LaFevers Robin L
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durch den schummrigen Raum, und die schweren, unvertrauten Röcke behindern mich ebenso sehr wie der Mangel an Licht. »Die ehrwürdige Mutter sagt, Ihr hättet meinen Auftrag heute Abend gesehen und könntet mir Anweisungen geben, damit ich meiner Bestimmung gerecht werde.«
    »Deiner Bestimmung gerecht werden? Dann ist das dein Herzenswunsch?«
    »Aber natürlich! Mortain und Sein Kloster haben mich aus einem Kellerloch geholt und mir ein herrlicheres Leben geschenkt, als ich es je für möglich gehalten hätte. Ich werde diese Schuld auf jede mir zur Verfügung stehende Weise zurückzahlen.«
    Sie starrt mich schweigend an, und ihre milchig weißen Augen verunsichern mich. »Vergiss nicht, wahrer Glaube kommt niemals ohne Qual.«
    Bevor ich antworten kann, greift sie in einen kleinen Beutel an ihrer Taille und zieht eine Handvoll von irgendetwas heraus – es sieht aus wie Knöchelchen und ein Knäuel Federn – und wirft es in das Kohlebecken.
    Flammen erwachen zum Leben, und ein beißender Geruch erfüllt den Raum. Schwester Vereda starrt in das kleine Feuer, als lese sie in den rotgoldenen Flammen, die sich in ihren blicklosen Augen widerspiegeln.
    »Zwanzig Schritt, dann eine Treppe hinauf. Klein für einen Mann und drahtig wie der Fuchs, dem er ähnelt. Der Staub von Amboise klebt an seinen Stiefeln, und in seinem Ohr blinkt ein roter Rubin, den ihm der französische Regent gegeben hat. Martel ist sein Name. Das ist der Mann, den Mortain mit Seinem Mal versehen hat.« Die Flamme erlischt zuckend, und Schwester Veredas Augen werden wieder so milchig weiß wie zuvor.
    Da ich nicht weiß, was ich sonst tun soll, mache ich einen Knicks. »Ja, Schwester. Sein Wille geschehe.«
    Als Nächstes nimmt sie eine kleine Schachtel von dem Regal unter dem Kohlebecken. Ihre Augen mögen blind sein, aber ihre Finger sind flink und geschickt, und sie öffnet die kleine Lederschatulle und zieht eine Flasche aus schwerem Glas daraus hervor. Die Flasche ist von tiefstem Schwarz, und ihre polierte Oberfläche fängt kleine Lichtfunken von den Kohlen auf, sodass es aussieht, als halte die Schwester ein Stück sternenübersäten Nachthimmels in den Händen.
    »Obwohl du noch nicht geweiht bist, sagt die ehrwürdige Mutter, sollst du die Tränen Mortains empfangen. Knie nieder«, befiehlt sie, während sie den Stöpsel aus der Flasche zieht.
    Ohne die scharfe Spitze des Stöpsels aus den Augen zu lassen, knie ich zu ihren Füßen nieder.
    »Mit der Gnade Mortains gewähre ich dir Erkenntnis, auf dass du Seinen Willen sehen und entsprechend handeln mögest. Versprichst du, dem Heiligen zu gehorchen und nur dann zu handeln, wenn Er es verlangt?«
    »Das verspreche ich.«
    Sie taucht die Spitze des Stöpsels in den Inhalt der Phiole, dann tastet sie sanft nach meinem Gesicht. »Mach die Augen weit auf, Kind.«
    Obwohl ich schreckliche Angst vor diesem scharfen Zapfen habe, tue ich wie geheißen. Sie bewegt ihn ohne Fehl auf meine Augen zu, ein einziger schwerer Tropfen hängt von dem spitz zulaufenden Ende, und ich bete, dass ihre Hand ruhig ist.
    Ich fühle eine Berührung von Wärme, dann trübt sich meine Sicht, und alle Farben und alles Licht in dem kleinen Raum verlaufen miteinander. Meine Augen werden wärmer und wärmer, bis es scheint, als würden sie in Flammen aufgehen. Für einen Moment fürchte ich, dass sie mich blind gemacht hat, aber dann vergeht das Gefühl, die Hitze legt sich und ich sehe nicht mehr verschwommen. Mir scheint, dass alles jetzt sogar ein wenig heller ist, konturenschärfer, als wären meine Augen vorher von einem milchigen Schleier bedeckt gewesen, ähnlich wie die Schwester Veredas, und als sei dieser Schleier nun weggerissen worden.
    Aber es sind nicht nur meine Augen, die sich verändert haben. Auch meine Haut ist anders, und jetzt kann ich die Luft beinahe wie etwas Dingliches auf meinen Armen und meinem Gesicht spüren. Ich nehme Schwester Vereda auf eine Weise wahr, wie ich es zuvor nicht getan habe; ich kann sie fühlen, kann den Lebensfunken fühlen, der hell in ihr leuchtet.
    »Diese Tränen Mortains sind ein Geschenk an jene, die Ihm dienen«, erklärt sie, während sie die Phiole in ihre Schatulle zurücklegt. »Sie erlauben es uns, Leben und Tod zu erkennen, wie Er es tut. Du wirst in der Lage sein, ihren Hauch in Körpern wahrzunehmen. Und jetzt geh«, fügt Schwester Vereda hinzu. »Und möge Mortain dich in Seiner dunklen Umarmung halten und deine Hand leiten wie Seine eigene.«

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