Grave Mercy Die Novizin des Todes
sie, als es an der Tür klopft.
Ohne auf ein Herein zu warten, betreten Schwester Arnette und Schwester Beatriz den Raum.
»Geh mit den Schwestern, und sie werden dafür sorgen, dass du alles bekommst, was du für heute Abend brauchst. Wenn sie fertig sind, werden sie dich zu Schwester Vereda bringen. Sie weiß Bescheid, Ismae, und wird dir alles sagen, was du wissen musst. Dann wirst du dich im Innenhof mit dem gnädigen Herrn Crunard treffen.«
»Ja, ehrwürdige Mutter.« Ich mache einen weiteren Knicks. Als ich den beiden Nonnen aus dem Raum folge, habe ich Mühe, nicht vor Aufregung zu hüpfen.
»Wir werden zuerst in die Waffenkammer gehen«, verkündet Schwester Arnette, als wir in den Flur treten.
Schwester Beatriz protestiert. »Ich denke, wir sollten sie zuerst ankleiden. Wie wollt Ihr wissen, was sie bei sich tragen kann, wenn Ihr nicht zuerst ihr Gewand gesehen habt?«
»Wohl wahr«, sagt Schwester Arnette, aber der Seufzer, der sich ihr entringt, bringt mich auf den Gedanken, dass sie für Schwester Beatriz’ weibliche Künste nicht viel mehr übrig hat als ich.
Trotzdem, als wir Schwester Beatriz’ Privatgemach betreten, reiße ich die Augen auf. Es ist das erste Mal, dass ich hier bin, und Gewänder aller Art hängen von Haken oder sind in Stapeln übereinandergelegt, Seide auf Samt, Samt auf Brokat, in allen vorstellbaren Farben. Schwester Beatriz’ Blick sucht bereits unter den feinen Roben etwas aus. »Ah. Das könnte funktionieren.« Sie nimmt ein rostfarbenes Samtgewand von einem Stapel. Es hat ein golden und grün besticktes Mieder, und ich habe noch nie etwas so Feines gesehen. Sie hält es mir an und kneift die Augen zusammen, dann schüttelte sie den Kopf. »Lässt dich zu teigig aussehen.« Ich bin mir nicht sicher, was sie mit teigig meint, aber es ist ein wunderschönes Gewand, und mein Blick folgt ihm sehnsüchtig, als Schwester Beatriz es beiseitewirft.
Als Nächstes hält sie ein Gewand aus zinnoberrotem Brokat hoch. Da mir die leuchtende Farbe nicht gefällt, murmele ich: »Warum nicht gleich ein Schild auf meine Stirn malen?«
»Du denkst, wenn du in tiefem Schwarz erscheinst wie eine Krähe unter Pfauen, wird dir das helfen, verstohlen zu Werke zu gehen?«, fragt sie.
»Nein, Schwester.«
Sie stößt ein befriedigtes Schnauben aus, weil ich ihr Argument anerkannt habe, dann beginnt sie Dutzende von Gewändern von den Haken zu ziehen. Aber sie sind zu weit oder zu kurz, oder die Farbe gefällt ihr nicht. Oder mir. Schließlich nimmt sie ein bordeauxrotes Samtgewand herunter und hält es hoch. Sie und Schwester Arnette tauschen einen Blick. »Es ist perfekt für sie, nicht wahr?«
»Nur dass ihm ein Mieder fehlt«, werfe ich ein.
Schwester Beatriz tut mein Unbehagen mit einer Handbewegung ab. »Das Mieder ist da, es ist nur tief ausgeschnitten, in venezianischem Stil, um deine weiblichen Reize besser zur Schau zu stellen.«
Schwester Arnette betrachtet das Gewand und klopft sich mit den Fingern aufs Kinn, während sie nachdenkt. »Damit kann ich arbeiten«, erklärt sie schließlich, und mir wird flau im Magen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich damit arbeiten kann. Oder darin, wie auch immer der Fall liegen mag.
Aber das ist das Ende der Diskussion, und Schwester Beatriz drückt mir das Gewand in die Hände. »Probier es an, damit wir sehen können, ob es passt.« Sie deutet auf einen Wandschirm in der gegenüberliegenden Ecke des Raums. Ich trage das Gewand so behutsam wie ein neugeborenes Baby, weil ich befürchte, meine Finger könnten den weichen Stoff zerknittern.
Hinter dem Wandschirm schlüpfe ich schnell aus meinem Habit.
»Hier.« Schwester Beatriz hängt ein leichtes, duftiges Stück Stoff über den Wandschirm. »Du wirst unter diesem Gewand ein feineres Unterkleid brauchen.«
Ich bin mir voller Scham der beiden älteren Frauen auf der anderen Seite des Wandschirms bewusst, als ich aus meiner alten Leinenwäsche schlüpfe und in meiner Nacktheit zittere. Es erleichtert mich, als ich endlich das neue Unterkleid anhabe, dann trete ich schnell in den kostbaren Samtrock und binde die Bänder um meine Taille. Ich schlüpfe mit den Armen in die engen Ärmel und staune darüber, wie perfekt sie passen, als seien sie für mich gemacht worden.
Während ich das Mieder über meine Schulter streife, sehe ich, dass Schwester Beatriz recht hat. Es bedeckt durchaus meine Brust, aber nur gerade eben. Ich weiß, dass ich gelegentlich als Adlige durchgehen muss, aber es
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