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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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gut.«
    Rebekkah warf ihm einen Blick zu. Für sie leuchteten seine Augen wie die eines Tiers, in die Licht einfiel. Sie wandte sich an Daisha. »Seine Augen …«
    »Sie leuchten von Kopf bis Fuß, und seine Augen glänzen genauso.« Daisha schüttelte den Kopf. »Ich habe aber keine Ahnung, ob … lebendige Leute es sehen können. Auf dem Friedhof schien es niemandem aufzufallen, dass Sie leuchten, deswegen können es vielleicht nur Leute wie ich wahrnehmen.«
    Rebekkah nickte und ging auf das Haus zu. Im Gegensatz zu früher spürte sie nichts von jenem Rauchfaden, der sie zu den Toten führte. Vielleicht waren sie ja gar nicht mehr da. Sie warf Daisha einen Blick zu. Oder sie war ihr so nahe, dass sie niemand anderen mehr spüren konnte.
    Im Gehen hielt sich Byron so dicht bei Rebekkah, dass sein Misstrauen gegenüber dem toten Mädchen offenkundig wurde. Er schwieg, beobachtete Daisha aber mit der gespannten Aufmerksamkeit, die man gefährlichen oder wahnsinnigen Menschen entgegenbringt. Rebekkah konnte es ihm nicht übel nehmen. Daisha war auf ihrer Seite, aber das machte sie nicht weniger gefährlich.
    Wenn alles vorüber war, musste sie das Mädchen überreden, ins Land der Toten zu gehen … oder sie musste dazu Gewalt anwenden.
    Sie erreichten das eingeschossige kleine Haus, in dem kein Licht brannte. Auch in der Einfahrt standen keine Wagen. Es gab eine Garage, doch deren Fenster waren verdunkelt.
    Eine breite weiße Linie zog sich vor dem Garagentor über den Boden. Rebekkah bückte sich, um sie zu berühren. Ihr Finger strich darüber, aber sie durchbrach die Linie nicht.
    »Nein!« Daisha fasste Rebekkahs linken Arm und zog sie von dem weißen Strich weg. »Bleiben Sie da weg!«
    Rebekkah richtete sich auf und betrachtete das weiße Pulver, das an ihrer Fingerspitze haftete. Kalk war es nicht. Es fühlte sich körnig an. Mit dem immer noch erhobenen Zeigefinger wandte sie sich zu Daisha um, die ihren Arm losließ und zurücktrat.
    »Ich glaube, es ist Salz«, erklärte Byron. »Alicia hat davon gesprochen, dass man es gegen sie einsetzen kann.« Er leckte einen Finger an, beugte sich vor und berührte das Pulver. Dann kostete er davon und nickte. »Ja.«
    Rebekkah folgte der Linie. Sie erstreckte sich ohne Unterbrechung an der Vorderseite und an beiden Seiten der Garage entlang und endete in einem Häufchen, das leicht glitzerte.
    Sie kehrte zu Byron und Daisha zurück. »Die Linie verläuft komplett um die Garage herum. Entweder um etwas einzusperren oder um etwas auszusperren.«
    »Ich kann sie nicht übertreten, aber« – Daisha lächelte so unschuldig und fröhlich, wie man es einem Monster gar nicht zugetraut hätte – »wenn jemand sie wegwischen würde, könnte ich hineingelangen.«
    In der Hoffnung, dass die Barriere dazu diente, die Toten auszusperren, trat Rebekkah an die Tür und wischte die weiße Linie weg. Wenn sich noch weitere Monster im Innern aufhielten, musste sie sie daran hindern, das Gebäude zu verlassen. Und sie nach Hause bringen. Rebekkah runzelte die Stirn bei dem Gedanken, dass die Toten, die Hungrigen Toten, die die Totenwächterin suchen sollten, hier gefangen waren – und sie sie durch Cissys Barriere nicht spüren konnte.
    »Lass uns gehen!« Sanft berührte sie Daishas Schulter. Es war keine Umarmung, zu der sie sich plötzlich gedrängt fühlte, aber es war eine Berührung.
    Daisha warf Rebekkah einen verblüfften Blick zu und hob die Schultern.
    »Klar. Können Sie die Tür von dieser Seite öffnen, oder soll ich sie von innen aufmachen?«
    »Ich knacke das Schloss.« Byron trat an den beiden vorbei. Er zog ein schmales schwarzes Lederetui aus der Innentasche seiner Jacke, doch statt es zu öffnen, warf er einen Blick zurück zu Rebekkah und Daisha. »Rein aus Neugierde – wie würdest du sie denn öffnen?«
    Daisha verschwand. Wo sie gestanden hatte, wirkte die Luft dunstig, als wäre mit einem Mal eine Nebelbank dort – und nur dort – aufgetaucht.
    »Daisha?«, rief Rebekkah.
    Die Vordertür öffnete sich. Daisha lehnte am Türrahmen. »Ja?«
    Byron runzelte die Stirn. »Wie hast du …?«
    Daisha deutete auf sich selbst. »Totes Mädchen.« Dann wies sie auf die Tür. »Keine Isolierung.« Sie wedelte mit der Hand. »Pffft, und ich bin drin. Wie ein Luftzug.«
    » Pffft? «, wiederholte Byron.
    Daisha löste sich in Rauch auf und verfestigte sich dann wieder. »Pffft.«

51. Kapitel
    Auf der Türschwelle warf Byron Daisha einen wütenden Blick zu.

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