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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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Amity Blue. Für den Fall, dass es ausgesprochen werden musste, flüsterte sie den Namen. »Amity Blue. Sollte ich hier sterben, soll Amity Blue die nächste Totenwächterin sein.«
    »Was murmelst du da?« Cissy trat einen Schritt nach vorn.
    Amity Blue, dachte Rebekkah. Ich will, dass Amity Blue diese Aufgabe übernimmt.
    »Becky? Ich habe dich etwas gefragt.« Cissy richtete die Waffe auf Rebekkahs Bein.
    »Du wirst niemals Graveminder werden«, gelobte Rebekkah.
    Cissy drückte den Abzug.
    Rebekkah hörte keinen Knall, sah den Schuss nicht kommen und begriff nicht einmal, dass es geschehen war. Sie brach einfach zusammen. Ihr Bein fühlte sich an, als sei es von einem glühenden Schürhaken durchbohrt worden. In dem vergeblichen Versuch, die Blutung zu stillen, drückte sie die Hand auf den Oberschenkel. Blut quoll zwischen ihren Fingern hervor.
    »Ich habe versucht, mit Mama zu reden, aber sie hat nur dich gesehen.« Cissy hockte sich neben Rebekkah. »Rebekkah. Die einzigartige Rebekkah. Nachdem ihr weggelaufen seid, du und deine Mutter, dachte ich, Mama würde mich oder eins meiner Mädchen aussuchen … Aber weißt du, was sie gesagt hat?«
    Rebekkah legte auch die andere Hand auf das Bein und drückte die Wunde zusammen. Vor Schmerz verschwamm alles vor ihren Augen. Sie schluckte zweimal. Erst dann konnte sie sprechen. »Was?«
    »Dass sie meinen Mädchen diese Last nicht auferlegen würde, selbst wenn du stirbst.« Cissy stand auf. Wieder streckte sie die Hand aus, in der sie die Waffe hielt. Der Lauf strich über Rebekkahs Wange. »Aber es war wohl in Ordnung, dich zu belasten. Vielleicht hat sie dich ja doch nicht geliebt, Becky.«
    Rebekkah griff nach oben, um Cissy die Waffe zu entreißen, aber ihre Tante zog sie weg.
    »Ich bin keine Mörderin, Becky«, erklärte sie. »Ich habe einmal getötet, aber nun sorge ich einfach dafür, dass sie sich gegenseitig umbringen. Ich habe nicht vor, mit solchen Sünden auf der Seele vor meinen Schöpfer zu treten.«
    »Sie lasten dir trotzdem auf der Seele«, murmelte Rebekkah und spürte, dass Cissy sie beobachtete. Mit großer Mühe versuchte sie, ihr Hemd auszuziehen. Jede Bewegung schmerzte, viel schlimmer als bei dem Streifschuss im Land der Toten. Zweimal in zwei Tagen angeschossen!, dachte sie. Als sie schluckte, um den bitteren Geschmack im Mund zu vertreiben, wurde ihr klar, dass sie sich so tief in die Unterlippe gebissen hatte, dass sie ihr eigenes Blut schmeckte. Davon durfte sie nicht noch mehr verlieren! Sie blinzelte gegen den Schmerz an und band sich das Hemd ums Bein. Es war nur eine Notlösung, aber vielleicht würde die Blutung aufhören.
    »Nein. Die Sünden der Toten lasten auf der Totenwächterin, denn hätte sie ihre Pflicht erfüllt, würden die Toten nicht frei herumlaufen und Schaden anrichten. Ich habe die Tagebücher schon vor langer Zeit gelesen, aber als sie tot war, habe ich sie mitgenommen. Ich wollte, dass du das erfährst, weil du ja Mamas Tagebücher nicht hast. Die Toten? Für jeden, der seit ihrem Tod verletzt worden ist, trägst du die Verantwortung. Wie passend, dass du mit diesem Makel behaftet sterben wirst.«
    Rebekkah blickte auf. Obwohl sie vor Schmerz benommen war, zog etwas in ihrer Brust und verriet ihr, dass jemand in der Nähe war. Die Hungrigen Toten.
    Daisha stand in der Tür. Sie musterte die beiden Frauen, doch Rebekkah vermochte ihre Miene nicht zu deuten. Sie wollte nicht rufen, um Cissy nicht auf sie aufmerksam zu machen. Wieder warf sie einen Blick in Daishas ausdrucksloses Gesicht. Zieht das Blut sie an?, fragte sie sich. Wird sie mich genauso töten wie Maylene?
    Daisha verschwand wieder.
    Cissy sprang auf und zerrte Rebekkah aufs Haus zu. »Ich hatte noch nicht vor, sie zu füttern, aber Pläne ändern sich. Sobald du tot bist, ist Liz die nächste Totenwächterin. Außer ihr gibt es niemanden mehr. Teresa wird mit klarem Kopf und stark aufwachen.«
    Cissy öffnete die Tür und stieß Rebekkah ins Haus.
    »Warum?«, fragte Rebekkah noch einmal. »Du hast deine Tochter getötet.«
    »Teresa hat das verstanden. Sie wird meine Kriegerin in dieser Welt sein, und Liz kann mich in die andere Welt führen.« Cissys Lächeln war das einer Fanatikerin, einer Frau, deren Überzeugung ihr alles bedeutete, und diese Art von Besessenheit wirkte Furcht einflößend. »Die anderen haben nicht nachgedacht. All die Jahre haben sie für ihn gearbeitet – als Sklavinnen von Mister D … Als ich jünger war, habe ich alles

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