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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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Hand entgegen. »Benutz meine Arbeit nicht als Vorwand!«
    Sie wäre gern stärker gewesen. Sie wollte ihn nicht wieder einlassen, keine Tür öffnen, die sie nach wenigen Tagen wieder schließen würde, aber sie war nicht in der Lage dazu. Selbst wenn sie sich im Vollbesitz ihrer Kräfte fühlte, war es eine Herausforderung, seiner Anziehung zu widerstehen, und derzeit ging es ihr alles andere als gut. Sie ließ die Hand wieder in die seine gleiten.
    Während der nächsten vierzig Minuten lenkte er schweigend, während sie aus dem Fenster starrte und Claysville näher kommen sah. Die Straße zwischen dem Flughafen und der Stadtgrenze war eine öde Gegend. Meilenweit erstreckten sich nichts als umschattete Bäume, und ab und zu kreuzte eine Straße, die in eine noch tiefere Dunkelheit zu führen schien. Dann sah sie es vor sich, das Schild mit der Aufschrift WILLKOMMEN IN CLAYSVILLE . Sie spürte, wie eine Last, die sie gar nicht bewusst getragen hatte, leichter wurde, sobald sie diese Grenze überschritten hatte. Früher hatte sie geglaubt, das liege daran, dass sie Maylene sehen würde, aber in dieser Nacht und mit Byron an der Seite war das Gefühl der Erleichterung sogar stärker denn je. Bevor sie wusste, was sie tat, fasste sie seine Hand fester – aber vielleicht hatte er auch als Erster den Griff verstärkt.
    Als er in die Auffahrt zu Maylenes Haus einbog und den Motor abschaltete, zog sie die Hand weg.
    Schweigend stieg er aus und trug ihre Tasche und Cherubs Transportkorb auf die Veranda. Als er wieder zum Wagen zurückkam, öffnete Rebekkah die Beifahrertür. Unwillkürlich schluchzte sie auf. Sie weigerte sich, sich auf ihn zu stützen. Aber einen Moment lang war der Gedanke, das Haus zu betreten, zu viel für sie. Sie blieb an der Tür stehen und stellte fest, dass sie nicht in der Lage war, die Schwelle zu überschreiten.
    Maylene ist nicht hier, dachte sie.
    Byron berührte sie nicht, und sie hätte nicht sagen können, ob sie dafür dankbar war oder nicht. Hätte er es getan, wäre sie zusammengebrochen, und ein Teil von ihr hatte das Bedürfnis, die Kontrolle zu behalten. Ein anderer, weniger stabiler Teil wünschte sich nichts mehr, als sich einfach fallen zu lassen.
    »Wenn du anderswo übernachten möchtest«, sagte er leise, »kann ich dich zu Baptistes Frühstückspension fahren, oder du kannst in meiner Wohnung bleiben, und ich suche mir etwas anderes. Es ist in Ordnung, wenn du Zeit brauchst, um auf die Beine zu kommen.«
    »Nein.« Sie holte tief Luft, schloss die Tür auf und trat ein. Byron folgte ihr nach drinnen. Sobald die Tür geschlossen war, ließ sie Cherub frei.
    Und dann stand sie einfach nur da. Byron wartete in der Tür zwischen der Küche und dem Wohnzimmer, und einen Moment lang war es, als wäre die Zeit zurückgedreht worden.
    Hilflos sah sie ihn an. »Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Aber es kommt mir so vor, als müsse ich etwas Bestimmtes tun. Sie ist tot, Byron, und ich habe keine Ahnung, was dieses Bestimmte sein könnte.«
    »Ehrlich? Du solltest zusehen, dass du etwas Schlaf bekommst.« Er trat einen Schritt auf sie zu und blieb dann stehen. Denn die Zeit war nicht zurückgedreht worden: Zwischen ihnen standen Jahre, in denen sie kaum Kontakt gehabt hatten, und Worte, die sie nicht zurücknehmen konnten. »Du bist durch den Flug übermüdet und stehst noch unter Schock. Warum schläfst du dich nicht aus, und morgen …«
    »Nein.« Sie ging an ihm vorbei und nahm sich einen gestrickten Überwurf von einem Schaukelstuhl. »Doch. Ich … kann nur nicht. Noch nicht … Ich gehe nach draußen, um die Sterne zu betrachten. Du kannst mitkommen, oder du kannst gehen. Ich setze mich auf die Schaukel.«
    Der verblüffte Ausdruck schwand von Byrons Gesicht, bevor er sich ganz ausbreiten konnte, und sie wartete nicht ab, wie er sich entschied. Ihr Wunsch, er möge bleiben, war egoistisch, doch sie würde ihn nicht zu überreden versuchen. Er hat mich abgeholt, dachte sie. Er scheint mich ja nicht zu hassen. Sie streifte die Schuhe von den Füßen, öffnete die Vordertür und trat auf die Veranda hinaus, die sich über die ganze Länge des Hauses erstreckte. Das verwitterte Holz unter ihren Sohlen fühlte sich vertraut an. Wie immer knarrte etwa auf halbem Weg zwischen der Tür und der Schaukel eins der Bretter, als sie darauftrat.
    Vielleicht war es töricht, aber sie wollte so tun, als wäre wenigstens etwas normal. Nach draußen zu gehen und die Sterne zu betrachten,

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