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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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berühren.
    Die Anspannung in seinen Zügen machte klar, dass er es bemerkt hatte, aber er nahm die Tasche und bedeutete ihr, sie solle vorgehen.
    Schweigend schritten sie durch die Halle. »Ich bin seit ein paar Monaten wieder hier«, sagte er dann.
    »Das wusste ich nicht. Maylene hat nichts davon erwähnt.« Sie sagte nicht, dass sie Maylene auch nicht gefragt hatte – nicht hatte fragen wollen. Rebekkah hatte sich vorgenommen, so zu tun, als existiere Byron nicht, wenn sie ihn träfe. Als wäre er so tot wie Ella. Nun, da er neben ihr herging, fiel ihr ein solch gleichgültiges Verhalten allerdings schwer. Statt ihn anzusehen, betrachtete sie das Schildchen an dem Autoschlüssel, den sie in der Hand trug, starrte darauf, obwohl sie die Marke und das Modell kannte. »Als Letztes erzählte sie von dir … Keine Ahnung, was das noch mal war. Ich dachte, du wohnst in Nashville oder irgendwo in jener Gegend – allerdings habe ich mich nicht danach erkundigt.«
    »Das weiß ich.« Er lächelte ihr ironisch zu, holte tief Luft und wechselte zu einem unverfänglicheren Thema. »Ich bin erst seit wenigen Monaten zurück. Seit Ende Dezember.«
    »Oh, ich war Weihnachten hier.« Anscheinend trübten ihr Schlafmangel und Kummer den Verstand, sonst hätte sie das nie zugegeben.
    »Das dachte ich mir. Deswegen bin ich erst nach Weihnachten wiedergekommen.« Sie erreichten den Parkplatz, auf dem die Mietwagen parkten. »Wir konnten es zu der Zeit vermutlich beide nicht gebrauchen, uns mit … damit auseinanderzusetzen. Daher wartete ich, bis du vermutlich zurückgefahren warst … dorthin, wo du inzwischen lebst.«
    Sie wusste nicht recht, was sie darauf antworten sollte. Genau das habe ich doch gewollt, dachte sie. Genau das habe ich von ihm verlangt. Leider erweckte der Umstand, dass sie übermüdet, trauernd und verloren auf dem verlassenen Parkplatz stand, in ihr den Wunsch, das alles zu vergessen. Du bist doch diejenige, die ihm befohlen hat, sich aus deinem Leben fernzuhalten, tadelte sie sich, als könnten ihr diese Worte den gesunden Menschenverstand bewahren.
    Aber als sie weitergingen, brach seine tiefe Stimme das Schweigen. »Ich habe mir vorgenommen, dir aus dem Weg zu gehen, und daran halte ich mich, wenn du willst. Aber ich konnte nicht … Ich musste mich vergewissern, dass du sicher ankommst. Ich habe versprochen, den Abstand zu dir zu respektieren, und das habe ich getan und werde es weiter tun. Du sollst nur wissen, dass ich hier bin, falls du in den nächsten Tagen einen Freund brauchst.«
    Was sollte Rebekkah darauf antworten? Fast zehn Jahre lang hatten sie einander ganz ähnliche Worte gesagt. Sogar als Ella noch lebte. Rebekkah wusste, dass es sicherer war, ihn nicht anzusehen, klüger, nicht daran zurückzudenken. Sie blinzelte kurz zu ihm hinüber und richtete den Blick dann schnell auf den Wagen, der vor ihnen stand. »Dieser hier.«
    »Mach den Kofferraum auf!«
    Sie öffnete und stellte die Tasche hinein. Cherubs Korb setzte sie auf die Rückbank. Dann stand sie unentschlossen an der Tür.
    Er streckte eine Hand aus und sah sie mit leerem Blick an. »Du bist die ganze Nacht auf den Beinen gewesen«, sagte er, als sie sich nicht rührte. »Du bist erschöpft und aufgewühlt.« Er bog ihre Finger auf und nahm ihr behutsam die Schlüssel ab. »Lass dich von mir nach Hause fahren! Ohne jede Verpflichtung, Bek.«
    »Dein Wagen …«
    »Motorrad. Es ist ein Motorrad. Nicht dasselbe, das ich früher fuhr, aber … Jedenfalls steht es hier gut.« Er trat um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür. »Lass mich das machen. Ich kann nicht viel tun, aber … Bis in die Stadt ist es eine Stunde oder länger, und … nun bin ich schon einmal da. Lass mich heute Nacht ein Freund für dich sein. Wenn du mich danach nicht mehr sehen willst, dann werde ich alles tun, um dir aus den Augen zu bleiben.«
    »Danke fürs Abholen und für dein Angebot – dafür, dass du ein Freund bist«, sagte sie und setzte sich auf den Beifahrersitz, bevor sie sich doch noch in seine Arme gestürzt hätte. Er war der Mensch, der ihr während der schlimmsten Zeiten ihres Lebens – nach Ellas und Jimmys Tod – zur Seite gestanden hatte, und jetzt war er hier und wollte ihr helfen, über einen dritten Todesfall hinwegzukommen. Sooft sie sich auch mitten in der Nacht davongestohlen hatte, trotz der Worte, die sie ihm an den Kopf geworfen hatte, der Anrufe und Besuche, die sie nicht gewürdigt hatte, war er noch immer

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