Graveminder
junge Rabbi ein, der vor einigen Jahren in die Stadt gezogen war. Williams Blick suchte zuerst nach Byron und dann nach Rebekkah.
Der Rabbi trat zu der Mutter des Kindes, aber William ging an den Leuten vorbei auf Rebekkah zu. »Sind Sie in Ordnung?«
»Ja.« Rebekkah wies auf die Menschenansammlung. »Ein kleines Mädchen wurde von einem Tier gebissen.«
Daniel kam herbei und übernahm es, die Umstehenden aus dem Weg zu halten. Er blieb stehen und warf Rebekkah und William einen vorwurfsvollen Blick zu.
Rebekkah zuckte zusammen. Sie hatte nicht schaulustig herumgestanden, aber sie hatte sich auch nicht nützlich gemacht – doch das traf genauso auf alle anderen zu. Man hatte die Wunden verbunden und Hilfe geholt, aber viel hatte niemand tun können. Was hatte er denn erwartet?
»Warum gehen Sie nicht ins Haus, Bek?«, fragte William.
Sie wusste nicht, wie sie Williams Aufforderung höflich ablehnen sollte, und sie wollte nicht mit ihm streiten – schließlich hatte er durch Maylenes Tod einen ebenso großen Verlust erlitten wie sie. Daher befolgte sie seine Bitte.
Sie näherte sich Byron und schnappte gerade noch seine letzten Worte auf. »… genau wie bei Maylene«, sagte er leise zu Christopher. »Also erzähl mir nicht, ich soll mich beruhigen, Chris!«
Rebekkah wurde blass. Wie bei Maylene? Das ergab keinen Sinn. Maylene war ermordet worden – aber Tiere ermordeten keine Menschen. »Byron?«
Byron sah über die Schulter zurück. »Bek …« Er rieb sich mit der Hand übers Gesicht. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass du hinter mir stehst.«
Sie blickte von ihm zum Sheriff, der den Kopf schüttelte und schwieg, und dann wieder zu Byron.
Lady Penelope trat neben Rebekkah und legte einen Arm um sie. Die Spiritistin war sanft, aber beharrlich. »Kommen Sie nach drinnen! Es war ein anstrengender Vormittag. Evelyn hat den Wasserkessel schon aufgesetzt. Warum trinken wir nicht eine schöne Tasse Kräutertee? Ich habe mehrere Mischungen mitgebracht. Die werden Ihre Nerven beruhigen.«
Behutsam machte Rebekkah sich los. »Gehen Sie schon vor! Ich muss kurz allein sein.«
Reverend McLendon kam herbei und warf Penelope einen fragenden Blick zu. Rebekkah tat, als hätte sie nichts bemerkt. Penelope schüttelte den Kopf.
»Hier können wir nichts tun«, meinte Sheriff McInney, »und Evelyn kann bestimmt Hilfe gebrauchen. Kommen Sie, Reverend!« Er warf Penelope einen Blick zu. »Lady Penelope.«
Penelope umarmte Rebekkah flüchtig. »Byron ist ein guter Mensch, Rebekkah«, flüsterte sie. »Sie können ihm trauen … und sich selbst.« Dann trat sie beiseite und wandte sich mit strahlendem Lächeln an die Geistliche. »Hat sich Cecilia friedlich hinauskomplimentieren lassen? Ich habe es nicht im Einzelnen mitbekommen.«
»Natürlich. Danke für Ihre Vorwarnung«, murmelte Reverend McLendon.
Dann gingen die drei nach drinnen. Die Verandatür fiel mit leisem Klicken zu, und Byron und Rebekkah blieben draußen allein zurück.
»Was meine Worte Chris gegenüber betrifft …«, begann Byron.
»Nein. Ich kann nicht. Nicht jetzt. Heute kann ich nichts mehr hören.« Sie schüttelte den Kopf. »Bitte.«
Byron legte ihr einen Arm um die Schultern, und sie sahen zu, wie die Sanitäter die Trage in den Krankenwagen schoben. Die Mutter des Kindes und der Rabbi stiegen hinter ihnen hinein.
Rebekkah lehnte sich an Byron.
Der Rabbi beugte sich aus dem Wagen und sagte etwas zu Pater Ness und William, dann schlossen sich die Türen. Pater Ness kehrte dem Haus den Rücken zu, während der Krankenwagen die Einfahrt verließ, und William kam zu ihnen auf die Veranda. Er hielt seinen Arm merkwürdig umfasst, sagte aber erst einmal nichts. Er wirkte müde und plötzlich viel älter als noch am Morgen, doch er schenkte Rebekkah ein herzliches Lächeln. »Maylene wäre stolz auf Ihre Haltung gewesen. Sie sind stärker, als Sie ahnen.«
»Ich fühle mich nicht sonderlich stark, aber es freut mich, dass es wenigstens so aussieht.«
»Mae verstand etwas von Stärke, und ich hatte nie Grund, an ihr zu zweifeln, wenn es um Sie ging … euch beide.« William warf Byron einen kurzen Blick zu, zog einen dicken Umschlag aus der Tasche seines Jacketts und hielt ihn Rebekkah hin. »Sie wollte, dass ich Ihnen dies gebe.«
Sie nahm den Umschlag. »Danke.«
Er nickte und sah zur Seite, als Pater Ness zur Veranda herüberkam. Der Priester blieb auf der untersten Treppenstufe stehen. »Wir können vieles verhindern, William,
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