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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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Junge, wir haben noch viel vor.«
    William öffnete den Mund zu einer Antwort, doch Byron sprach als Erster. »Wie bitte? Warum?«
    Charlie blieb stehen und grinste. »Weil Ihnen die Alternative nicht besonders gefallen dürfte. Sie mögen ja zum neuen Undertaker bestimmt sein, aber er« – der Mann wies mit einer unangezündeten Zigarre auf William – »hat sein Leben noch nicht zu Ende gelebt. Daher haben wir Zeit, uns einen anderen zu besorgen, falls Sie für unzureichend befunden werden.«
    William legte eine Hand auf Byrons Schulter.
    Byron erwiderte den Blick und sah, dass Blut durch den Anzugärmel seines Vaters sickerte. Dieser Anblick jagte Byron mehr Angst ein als alles andere. »Was ist passiert?«
    William antwortete nicht und sah an Byron vorbei. »Es dauert nicht mehr lange, bis ich auf die andere Seite überwechsle, Charlie. Wir wissen beide, dass die Zeit für eine Veränderung gekommen ist.«
    Charlie nickte. Ein betrübter Ausdruck huschte über seine Züge, doch ehe er sich ausbreiten konnte, war er schon wieder verschwunden. Mit der Hand, in der er immer noch die unangezündete Zigarre hielt, vollführte der Tote eine weit ausholende Geste. »Ich habe uns einen Tisch reserviert.«
    »Dad?« Byron zog den Ärmel seines Vaters hoch. Er trug einen blutdurchtränkten Verband ums Handgelenk. »Mist. Du musst ins Krankenhaus.«
    Charlie betrachtete Williams Arm. »Brauchen Sie einen Arzt?«
    »Nein.« Behutsam löste William Byrons Griff. »Das kann warten.«
    William und Charlie wechselten einen rätselhaften Blick, dann nickte Charlie. »Wie Sie meinen.«
    Er wandte sich um und ging davon, in die graue Landschaft hinein. William bedeutete Byron, ihm zu folgen. Am liebsten hätte Byron seinen Vater bestürmt, diesen Ort zu verlassen, aber er vertraute William, daher ging er widerstrebend hinter Charlie her.
    Ruß sah anders aus, wenn alles nur aus Grautönen bestand. Das war Byrons erste Erkenntnis, als er durch eine Stadt ging, die weder eindeutig modern noch sichtlich alt war. Als sie weiter vordrangen, wichen die Holzgebäude Backsteinhäusern und Bauwerken aus Stahl und Glas. Von Pferden gezogene Zweispänner und Kaleschen teilten sich den Platz mit Fahrrädern, uralten Ford Ts und Thunderbirds aus den 1950er-Jahren. Die Kleidung der Bewohner war ebenso unterschiedlich, wie es ihre Fortbewegungsmittel waren. Frauen in Charlestonkleidern schlenderten an anderen vorbei, die Punk-Outfits oder Garderobe aus der Belle Époque trugen. Die Schönheit dieser nebeneinander existierenden Zeitalter hatte etwas Verstörendes.
    Auf den Straßen, unter den Arkaden und an den Fenstern drängten sich dicht an dicht Menschen, die die Neuankömmlinge begafften. Byron bemerkte, dass viele sichtbar Waffen trugen und nicht immer in Holstern. Aber er sah auch Frauen, die Kinderwagen schoben oder an deren Röcken kleine Mädchen oder Jungen hingen. Paare, deren Kleidung nicht immer aus demselben Zeitalter stammte, unterhielten sich. In einigen Fällen gingen sie – ungeachtet der Sitten jener Zeit, zu der ihre Kleidung gehörte – auch an die Grenzen öffentlich gestatteter Zurschaustellung von Zuneigung.
    »Lange her, dass wir hier einen Touristen hatten.« Charlies Stimme klang deutlich amüsiert.
    »Er ist kein Tourist«, entgegnete William. »Er gehört ebenso hierher wie jeder von uns.«
    »Das wird sich noch zeigen, oder?« Charlie blieb an einer Kreuzung stehen und neigte, die Zigarre zwischen die Zähne geklemmt, den Kopf. Die Straße war vollkommen frei. Er hielt die Hand hoch und bedeutete seinen Begleitern, sie sollten stehen bleiben. »Nur einen Moment.«
    Kaum sechs Sekunden später raste vor ihnen ein Zug über die Kreuzung. Er fuhr völlig lautlos, und auf der Straße verliefen weder Gleise noch irgendwelche Schienen. Einen Augenblick später war er nur noch ein Punkt in der Ferne.
    Charlie zog eine Taschenuhr aus der Weste, warf einen Blick darauf, steckte sie wieder ein und trat auf die inzwischen dicht bevölkerte Straße. »Der Weg ist frei.«
    »Weil ein Zug vorbeigefahren ist?«
    Charlie starrte Byron an und warf William einen scharfen Blick zu. »Der Junge ist nicht besonders helle, stimmt’s?«
    William lächelte freudlos. »Er ist mehr als klug genug, um den Job besser zu bewältigen als ich. Wenn Sie Streit suchen, Charles, können Sie ihn gern bekommen – nachdem wir uns unterhalten haben.«
    Kurz lag Anspannung in der Luft, dann lachte Charlie. »Sie sind mir jederzeit willkommen,

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