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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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reichte. Und noch weiter. Architektur aus verschiedenen Kulturen und Zeitaltern prallte aufeinander und vermischte sich. Nicht weit von einem gewaltigen Glasgebäude entfernt erhob sich eine mittelalterliche Burg. Gedrungene Holzhütten standen neben strengen Häusern aus rötlich braunem Sandstein. Das einzig Verbindende war die emsige Geschäftigkeit, die in der ganzen Stadt herrschte. Menschenmengen sowie unterschiedlichste Fahrzeuge und Gefährte wimmelten in den Straßen, so weit sie sehen konnte.
    »Sie gehören zu den Toten, Rebekkah Barrow«, sagte Charles leise, »und daher gehören Sie mir .«
    Sie riss den Blick von der Stadt los, sah über die Schulter und kehrte an den Tisch zurück, wo sie ihrem Gastgeber beim Einschenken des Weins zusah.
    »Wenn Sie hier sind, werden Sie an meinem Tisch speisen, und Sie werden an meiner Seite das Theater besuchen. Als Graveminder können Sie sich so oft hier aufhalten, wie Sie wünschen. Sie müssen nur Ihren Undertaker überreden, Sie durch den Tunnel zu bringen.«
    Rebekkah lachte. »Byron überreden, mich hierher – zu Ihnen  – zu begleiten?«
    Charles hielt ihr das Glas hin.
    Sie nahm es entgegen, setzte es aber nicht an die Lippen. »Ich spüre die Anziehung … dieses Landes … und Ihrer Person. Sie wissen es, daher wäre Lügen sinnlos. Wie viele Graveminder haben Sie inzwischen kennengelernt?«
    »Elf oder zwölf. Es kommt darauf an, ob ich Ihre Schwester mitzähle.« Charles nippte an seinem Getränk. »Ella wollte gleich hierbleiben, nachdem sie durch den Tunnel gekommen war. Sie hingegen … Maylene hat Sie all die Jahre von mir ferngehalten. Üblicherweise treffe ich die zukünftige Totenwächterin, wenn sie noch viel jünger ist. Sie indes sind mir bisher ein Rätsel gewesen.«
    Die Schlussfolgerung aus seinen Worten – dass Maylene sie versteckt hatte und Ella hier gewesen war – jagte Rebekkah einen Schauer über den Rücken. »Ella … hat sie Ihretwegen …«
    »Nein, nicht meinetwegen«, verbesserte Charles Rebekkahs Worte. »Deswegen.« Er vollführte eine weit ausholende Geste. »Das Land der Toten ruft nach den Gravemindern. Maylene hat es gespürt, Ella ebenfalls, und Sie, Rebekkah, geben sich größte Mühe, es nicht zu fühlen.«
    Am liebsten wäre sie durch die Straßen der Stadt gelaufen und hätte sich in der Landschaft verloren, die sie von allen Seiten lockte. Aber sie war oft genug gereist, um zu wissen, dass das außerordentlich dumm gewesen wäre. Man kam nicht in einem fremden Land an – und dies war wahrhaftig ein unbekanntes Land – und rannte ohne jede Information einfach herum. Das sollte man jedenfalls nicht tun, wenn man keine Schwierigkeiten provozieren wollte.
    Oder Kugeln.
    »Doch, ich fühle es, aber« – sie wandte der verlockenden Stadt den Rücken zu – »ich habe nicht vor, an Ihren Rockschößen zu hängen.«
    »Warum nicht?«
    » Warum nicht? «, wiederholte sie.
    »Ja.« Er trank einen Schluck aus seinem Glas, ließ sie aber nicht aus den Augen. »Warum verweigern Sie den Schutz, die Begleitung, die Führung durch eine Welt, die Sie nicht kennen? Bin ich irgendwie abstoßend? War ich zu grob, als ich Sie vor den Kugeln abschirmte?«
    »Nein.« Rebekkah setzte sich wieder. Sie spürte, wie sich ihr Misstrauen mit Schuldgefühlen mischte. Charles hatte sie gerettet. Er hatte sie weder ausgesucht noch auf sie geschossen oder zum Kommen gezwungen. In Wahrheit hatte er nichts anderes getan, als sie zu beschützen und ihr einen sicheren Platz zum Ausruhen zu bieten. Und Kleider, Essen und Antworten. Sie konnte ihre hartnäckige Sorge nicht ausblenden, aber sie musste auch den Tatsachen ins Auge blicken. »Sie haben mich gerettet. Dafür stehe ich in Ihrer Schuld. Ich wollte Sie nicht beleidigen …«
    »Alles vergeben!« Er lächelte großmütig. »Sie sollen wissen, dass dort drüben der Undertaker über Sie wacht, aber hier finden Sie Ruhe vor den Mühen jener Welt.«
    »Den Mühen?«
    »Wenn Sie nicht gut genug sind, werden Sie bei lebendigem Leib gefressen. Leider buchstäblich. Sie stehen zwischen den Toten und den Lebenden und sind meine Repräsentantin. Die der Lebenden ebenfalls.« Charles nahm ihre Hand. »Das ist ein harter Job, und Sie sind bei Ihrem Volk immer willkommen und können hier Ruhe finden.«
    Schweigend trat Ward heran und servierte einen weiteren Gang. Ein Dutzend verschiedener Desserts waren auf einem runden Tablett angeordnet, das er in der Mitte des Tischs abstellte. Neben

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