Graveminder
weitergeben? Aber wie soll ich Ann ihren Wunsch abschlagen?
Rebekkah kam einige Stufen die Treppe herunter. Sie trug ein langes Nachthemd, dessen Oberteil feucht war von ihrem triefend nassen Haar. »Die Dusche ist frei.«
Byron wäre ihr gern nach oben entgegengegangen, wollte sie aber nicht verscheuchen. Stattdessen nickte er nur. »Komme gleich.«
Er las weiter.
Mae begriff, warum Ella das getan hatte, doch sie wollte es mir nicht sagen. Aber ich habe beobachtet, wie sie Ella ansah. Sie kennt die Verlockung, die Charlies Welt ausübt. Ich verstehe das nicht, aber wie sie mir sagt, nimmt sie die Welt dort vollständig anders wahr als ich.
Manchmal träume ich davon, Charlie umzubringen.
Byron blätterte noch einmal vor.
Mae ist gebissen worden. Ich wollte den Toten umbringen, aber sie vergisst immer wieder, dass sie Monster sind. Sie lässt sie ins Haus, lädt sie an ihren Tisch ein … Manchmal ist gar nicht vernünftig mit ihr zu reden. Ich glaube, gelegentlich vergisst sie, dass sie ein Mensch ist. Wenn sie herkommen, können sie sie töten. Sie würden uns alle umbringen. Sie sagte mir, dass ich mir zu viele Sorgen mache, aber ich lebe, um sie zu beschützen. Das ist meine Aufgabe.
Behutsam schloss Byron das Buch und ging nach oben.
Es war alles keine Einbildung – es gab keine Regeln, die die Bewohner von Claysville schützten, während sie schliefen. Das Monster konnte in Häuser eindringen – und hatte es schon getan. Daisha hatte dieses Haus betreten und Maylene getötet. Sie war in Byrons Zuhause gekommen und hatte seinen Vater gebissen.
Und wir haben keine Ahnung, wo sie steckt, dachte er.
Daisha konnte auch ins Haus kommen, wenn Rebekkah allein war. Seine Dusche fiel kurz aus. Kaum hatte er sich abgetrocknet, fuhr er schon in seine Jeans. Mit einer Hand frottierte er sich das Haar, während er die Badezimmertür öffnete.
Rebekkah stand in ihrer Zimmertür und sah ihn an. Offensichtlich hatte sie eine Entscheidung getroffen, denn sie hatte seine Tasche mit in ihr Zimmer genommen, wo sie zu ihren Füßen auf dem Boden stand.
»Bleibst du bei mir?«, fragte sie.
Ohne den Blick von ihr zu lösen, trat er näher. In genau dieser Pattsituation hatten sie sich im Lauf der Jahre schon oft befunden. Sie hatte ihn immer nur anzusehen brauchen, und er hatte ihr gehört. Nie gab sie zu, dass das, was sie teilten, etwas Besonderes war. Er konnte nicht mehr zählen, wie viele Zimmer sie schon geteilt und wie viele Nächte sie in den unterschiedlichsten Städten miteinander verbracht hatten, doch nicht ein einziges Mal hatte sie sich das Geständnis abgerungen, dass er ihr wichtig war, dass sie eine ernsthafte Beziehung hatten.
»Willst du nur nicht allein schlafen, oder willst du mich bei dir haben?«
»Dich«, flüsterte sie.
Sie wich vor ihm zurück, und er trat ins Zimmer. Dann zog er den Reißverschluss seiner Tasche auf und nahm die Waffe heraus, die Alicia ihm gegeben hatte. Er legte sie auf den Nachttisch und lehnte die Tasche an die Wand, wo er nicht darüber stolpern würde, falls er schnell aufstehen musste.
Rebekkah schlug die immer noch zerwühlten Decken zurück und setzte sich auf die Bettkante.
Er schaltete das Licht aus und kam zu ihr. Mit einem leisen Seufzer schmiegte sie sich in seine Arme. Er legte sich hin und hielt sie fest.
»Das hat nichts zu bedeuten«, murmelte sie, während ihr die Augen zufielen.
»Lügnerin.« Er presste sie mit einem Arm an sich. Der zweite war frei, damit er ihr mit der Hand das Haar zurückstreichen …
… oder nach der Waffe greifen konnte.
Rebekkah schlug die Augen auf. »Byron …«
Er wickelte sich eine ihrer feuchten Haarsträhnen um den Finger und ließ sie auf ihre Schulter fallen. Ein Teil von ihm, jener Teil, der jedes Mal, wenn er sie in den Armen hielt, ihre Bedingungen akzeptiert hatte, gebot ihm Schweigen. Der andere Teil allerdings war es leid, sich nach ihren Regeln zu richten. »Keine Veränderung. Keine Verpflichtungen. Es ist bedeutungslos. Es bedeutet nie etwas.«
Sie seufzte. »Es ist nicht … Ach, egal.«
»Ich bin für den Rest unseres Lebens an dich gebunden. Ich liebe dich seit Jahren. Du liebst mich schon genauso lange.« Während er sprach, wandte er den Blick nicht ab, und dieses Mal bestritt sie es nicht. »Da kannst du protestieren, so viel du willst, aber es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass du in Sicherheit bist, und mir dort drüben eine Kugel einzufangen, wenn es sein muss. Ich habe einen
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