Graveminder
denn so wichtig?«
Sie hielt inne. Ob es wichtig war? Diese Frage war müßig. Das Wie, das Wann, das Warum, das Was-jetzt … alles das waren Fragen, über die sie hinweggegangen war, aber leider durfte sie sie nicht außer Acht lassen. War das wichtig? Wenn alles, was sie miteinander geteilt hatten, nur Zufall war, wenn der Umstand, dass er sich in diesem Moment in diesem Raum befand, um ihr zu helfen – wenn alles ein Ergebnis des Umstands war, dass Maylene sie als Ersatz für Ella ausgesucht hatte, ja, dann war es wichtig.
Doch sie wollte über nichts dergleichen reden, daher überhörte sie die Frage zugunsten dringlicherer Angelegenheiten. »Willst du mir helfen, das Haus auf den Kopf zu stellen? Oder lieber damit anfangen, die Akte deines Vaters anzusehen?«
»Du kneifst wieder einmal«, erklärte Byron. »Wir müssen darüber reden, Rebekkah, über uns. Du weichst seit über acht Jahren aus, aber jetzt … müssen wir beide uns dieser Sache stellen. Willst du wirklich noch immer vor der Wahrheit davonlaufen?«
Rebekkah schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück. Sie wusste, dass sie sich endlich ihren Gefühlen Byron gegenüber stellen musste, denn das hatte sie nie getan. Es gab einfach keinen Ausweg mehr. Sie liebte ihn, aber das hieß längst noch nicht, dass alles andere gut werden würde, wenn sie sich dazu bekannte.
Sie ließ eine kleine Weile verstreichen, ohne zu antworten. Er seufzte. »Ich liebe dich, Beks, aber manchmal gehst du mir entsetzlich auf die Nerven.«
Sie hob den Blick und sah ihn an. »Du mir auch. Also … die Tagebücher?«
Er hielt inne, und sie wartete darauf, dass er sie weiter drängte. Sie wollte die Worte gern aussprechen, aber sie wusste nicht recht, wie sie es anfangen sollte. Ihre jahrelangen Versuche, ihn zusammen mit Ellas restlichen Besitztümern in eine Abstellkammer zu verbannen, ließen sich nicht an einem Tag außer Kraft setzen.
Doch er drängte sie nicht. »Ich finde, wir sollten mit dem Stadtrat sprechen«, sagte er stattdessen, »den Vertrag lesen und Charlie etliche Fragen stellen.«
»Einiges habe ich ihn gefragt, aber er war nicht gerade entgegenkommend«, erklärte Rebekkah, und dann berichtete sie Byron über das Wenige, was sie von Charles erfahren hatte.
Dafür erzählte Byron ihr von seinen Gesprächen mit Charles, mit William und mit Pater Ness.
»Was immer dieser Vertrag mit der Stadt beinhaltet … er befindet sich also drüben in seiner Welt. Hast du ihn gesehen?«, fragte sie, als er geendet hatte.
Byrons Miene wurde seltsam verschlossen. »Ich habe einen Vertrag gesehen, aber ich bin mir nicht sicher, ob es der mit der Stadt war. Es standen die Namen vergangener Graveminder und Undertaker darin und … keine Ahnung, was sonst noch. Dad war dabei, und es war unsere letzte Gelegenheit, miteinander zu reden … Ich wusste das zu jenem Zeitpunkt nicht, die beiden anderen offensichtlich schon. Charlie hat den Vertrag wieder in die Schatulle gelegt und ist gegangen. Ich vermute aber, dass jeder Undertaker ihn früher oder später zu lesen bekommt.«
»Also kehren wir zurück und sagen ihm, dass wir ihn sehen wollen.«
»So ungefähr«, pflichtete Byron ihr bei. »Wir müssen auch mit dem Stadtrat reden.«
»Ist es ein Wunder, wenn ich wütend auf sie alle bin?« Rebekkah ballte die Fäuste. »Ich meine, ich verstehe das, aber verdammt, wir haben kaum Zeit, irgendetwas zu begreifen, und … ich bin erschöpft.«
»Wir werden es schon noch begreifen«, beschwichtigte er sie. »Wir finden Daisha, und dann lassen wir uns etwas einfallen.«
Rebekkah nickte, aber sie war nicht allzu zuversichtlich, ob sie wirklich alles Notwendige bewältigen konnten. Wie sollten sie Daisha finden? Wie sollten sie sie aufhalten? Warum existierte überhaupt ein solcher Vertrag? Konnte man ihn auch brechen? Sie schloss die Augen und lehnte den Kopf an die Sofalehne.
Sie spürte, wie die Polsterung nachgab, als Byron sich neben sie setzte. »Wie wäre es mit einer Mütze voll Schlaf?«
»Das können wir uns nicht leisten. Wir haben …«
»Nur ein paar Stunden. Wenn wir vor Erschöpfung zusammenbrechen, bekommen wir nichts geregelt. Wir haben beide seit Tagen praktisch kein Auge zugetan.«
Sie hob den Blick. »Du hast recht, aber … da draußen sterben Menschen.«
»Ich weiß, aber wie willst du für sie da sein, wenn du dich nicht konzentrieren kannst? Die Stadtratsmitglieder schlafen um diese Uhrzeit. Charlie hat sich geweigert, unsere Fragen
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