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Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
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Gesichtern um ihn. Trotz aller seiner Studien von Geschäftsführungstheorien hatte Guy nie richtig den Dreh gefunden, Arbeit zu delegieren. Da Tomorrow* (seinem Unternehmensleitbild gemäß) eine »nahtlose Fortsetzung seiner persönlichen Kreativität« sein sollte, nahm er die Leitung der Firma von Tag zu Tag und rein intuitiv in Angriff. Sein Personal war an Konferenzen gewöhnt, auf denen Ziele plötzlich neu formuliert, neue Aufgaben wie durch Zauber geschaffen und alte belanglos wurden. Als Folge davon neigten seine Angestellten dazu, sich mindestens zweimal mit ihm abzustimmen, ehe sie etwas Zeitraubendes anfingen. Er hatte, seit er an den Golf abgereist war, keinen Kontakt mehr mit seinen Untergebenen gehabt.
    Er ließ die Frager abblitzen, schloss sich in seinen Kreativbereich ein und nahm noch etwas Koks. Als er sein Gleichgewicht zurückgewonnen zu haben glaubte, rief er Kika und sagte ihr, sie solle für den späteren Nachmittag eine Gemeinderatsversammlung anberaumen. Das ganze Büro. Teilnahmepflicht.
    »Heißt das, Sie haben gute Neuigkeiten?«, fragte Kika.
    »Haben Sie irgendwas mit Ihren Haaren gemacht?«
    »Du lieber Himmel, Guy. Der Auftrag. Haben Sie den Zuschlag bekommen?«
    »Es war nicht das Richtige für uns. Sie waren nicht bereit für das, was wir ihnen geboten haben. Sie haben so was wie – was haben Sie damit gemacht?«
    »Oh Gott.« Sie machte ein niedergeschlagenes Gesicht.
    »Keine Sorge«, sagte er gut gelaunt, »es ist alles unter Kontrolle.« Er zog die Halskette aus der Tasche. »Könnten Sie das hier per Kurier an Gabriella senden? Sie ist in Schottland. Ich schicke Ihnen eine Mail mit der Adresse.«
    Kika warf einen Blick auf den Namen der Firma, der in das Kästchen graviert war.
    »Bloß das?«
    »Ja. Und es muss so schnell wie möglich ankommen. Vorausgesetzt, ihr Service ist nicht am Arsch, wie alles andere.«
    »Ich meine – wollen Sie nicht ein paar Zeilen mit dazulegen?«
    »Oh«, schnaufte er unsicher. »Ein paar Zeilen. Richtig. Ein paar Zeilen.«
    Was sollte er Gaby sagen? Bitte verlass mich nicht. Ich habe mittelfristige Pläne für uns, einschließlich Hochzeit und Babys. Er war sich nicht einmal sicher, ob es das war, was sie im Sinn hatte, aber nachdem er während des Fluges mehrere Stunden damit verbracht hatte, sich die Einzelheiten ihres Telefongesprächs durch den Kopf gehen zu lassen, schien es keine andere Möglichkeit mehr zu geben. Dieser Ausdruck. Wir müssen miteinander reden. Niemand benutzte ihn in einem anderen Zusammenhang. Sie musste sich den jetzigen Zeitpunkt aussuchen, wo er so viel am Hals hatte. Das Gespräch mit PEBA fand morgen früh statt. Er musste heute Abend nach Brüssel fliegen. Es war jetzt schlicht die falsche Zeit, kaputte Beziehungen zu flicken.
    Die Halskette sollte für sich selber sprechen. Aber Kika hatte Recht – ganz ohne Worte ging es nicht. Er nahm ein Empfehlungskärtchen aus der Schublade und schrieb darauf in großen Filzstiftbuchstaben:

    Beeindruckt? X G

    Es schien ihm der richtige Ton zu sein. Aufmerksamkeit heischend. Provozierend, wenn ein anderer Mann eine Rolle spielte. Warum ging sie auch einem Job nach, in dem sie Schauspieler kennen lernte? Das waren solche Mistkerle.
    Kika blickte abwechselnd auf die Karte und auf Guy.
    »Julia hat gekündigt«, sagte sie. »Der Brief liegt auf Ihrem Schreibtisch. Ich glaube, von Yuri liegt auch einer da. Oh, und Yves Ballard hat angerufen.«
    »Prima«, sagte Guy. »Kein Problem. Null Problemo.«
    Eine Stunde später kam er frisch gestärkt nach unten.
    Die Belegschaft hatte sich pünktlich in der Brainstorming-Zone versammelt. Guy überflog die Reihen junger Gesichter, die Körper, deren modisch-lässige Kleidung in informelle Businessmode überging, wenn einer vom Kreativ- ins Finanzpersonal gewechselt hatte. Er empfand Stolz. Vor ihm standen Menschen aus verschiedenen ethnischen Minderheiten, wenn man Caries Bein bedachte, auch Behinderte: ein Mikrokosmos der Gesellschaft. Seine Gesellschaft.
    »Hallo, zusammen. Nehmen Sie bitte Platz. Also, ich weiß, in der letzten Zeit hat es eine gewisse Unsicherheit gegeben. Wir haben uns alle mächtig ins Zeug gelegt, und nun bewegen wir uns gerade in den zeitlichen Rahmen hinein, wo wir wirklich einige Resultate zu sehen beginnen. Ich bin gerade von einem, wie ich meine, wirklich bezeichnenden Treffen in Dubai zurück, wo ich sozusagen alles gesehen habe, was traditionelle Old-Economy-Unternehmen falsch machen. Totales

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