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Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
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war ein grauer Kasten aus Schlackenstein mit einer verspiegelten Schaufensterfront und einer an die hintere Wand geschraubten Klimaanlage. Das Leben fand hier auf der Mattscheibe statt.
    Arjun mietete sich ein unbesetztes Terminal und nahm dort mit einem Becher Tee mit Schokoladenaroma Platz. Rechts und links von ihm spielten Kids dasselbe First Person Shooter Game, in dem sie durch ein kompliziertes Labyrinth stürmten, während sie kurze Salven aufeinander abfeuerten und ihre Bildschirme sich mit statischer Elektrizität füllten, wenn ihre Avataras getroffen wurden und sich sterbend in Weiß auflösten. Arjun uploadete seine selbst gemachten Videos zu seinem Geheimplatz auf dem NOIT-Server, dann richtete er ein Konto in einem kostenlosen E-Mail-Dienst ein und schickte von dort aus Mitteilungen mit der Webadresse an die Leute, von denen er wollte, dass sie einen Blick hinein taten: Priti, Chris, das FBI und Leela Zahir. Da er von Leela keine Adresse hatte, wandte er sich an mehrere Newsgroups und Diskussionsforen und schickte obendrein eine Kopie an Aamir.

    also sis ich weiß nicht wo anfangen

    liebes fbi ist das die korrekte anrede?

    chris ich wollte ihn zurückbringen aber

    dies ist für dich leela zahir als eine form der entschuldigung für alles was passiert ist ich habe dich immer geliebt und würde nie etwas tun was dir schadet aber du siehst ich war verzweifelt

    Als er fertig war, nahm er seine CD und verließ das Café, ohne sich umzusehen. Er bemerkte nicht die beiden Jungen, vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahre alt, die sich aus der Menge vor dem Café lösten. Als er den Weg zurück zum Motel einschlug, gingen sie die Straße hinauf hinter ihm her, wobei sie gebührenden Abstand hielten, aber darauf achteten, nicht allzu weit zurückzufallen.

W ir geben nicht klein bei.
    Das war das Grundprinzip, das einzige, was zählte. Ob es um Universität, Zutritt oder Aufnahme in die Gästeliste ging: Menschen wie wir geben nicht klein bei. Privat hätte es sein Vater auf Zucht oder etwas Ähnliches geschoben. In der Öffentlichkeit erklärte sich Mr. Swift bereit, es sei denn, jemand hatte ihm Alkohol zu trinken gegeben (Alkohol machte ihn aggressiv), es auf Schneid, Manieren oder irgendwelche anderen Faktoren zurückzuführen, wie sie nur bei gelegentlichen Kirchgängen der englischen oberen Mittelschicht, die außerhalb Londons wohnen, zu finden waren. Was Guy betraf, so waren die Engstirnigkeit seiner Eltern, ihr Glaube an die Tugend der Mäßigung, ihr Misstrauen gegenüber allen irdischen Freuden und ihre zwanghafte Sparsamkeit für ihn nichts als kleinmütiger Blödsinn. Als wenn Ferien in Devon und der Besitz eines uralten, zerbeulten Rovers sie zu moralisch überlegenen Menschen machten! Zum Glück war diese ganze fürchterliche Strenge der fünfziger Jahre, die sie hervorgebracht hatte, diese ganze Dumpfheit, die noch geherrscht hatte, als er aufgewachsen war, weggefegt worden. Jetzt herrschte Geld. Geld und Aceto balsamico und Design. Aber obwohl er die Vergangenheit gegen die Zukunft, starre Haltung gegen langen Aufschwung eingetauscht hatte, stimmte er insgeheim noch immer dieser ererbten Grundprämisse zu: Wir sind besser als andere Leute. Wir geben nicht klein bei.
    Guys »wir« unterschied sich von dem seines Vaters, obwohl schwer zu bestimmen wäre, wer außer ihm selbst dazugehörte. In einer bestimmten Lebensphase hatte er populärwissenschaftliche Taschenbücher gelesen und hielt seinen Erfolg für das Ergebnis eines natürlichen Ausleseprozesses. Wir saßen oben, weil wir an das Weltstadtmilieu besser angepasst waren. Wir nahmen Risiken auf uns und nutzten Gelegenheiten zu unseren Gunsten. Wir wussten, wie Verbindungen zu knüpfen, wie die Geld- und Informationsflüsse zu manipulieren waren, um Resultate zu erzielen.
    Auf dem Flug zurück von Dubai fand er Kraft und Trost in dieser Vorstellung. Das Essen unberührt vor sich auf dem Tablett, dachte er nervös über das Thema Unglück nach. Was war schon dabei, wenn er dem finanziellen Ruin ins Gesicht sah? Was war schon dabei, wenn Gabriella vielleicht drauf und dran war, ihn zu verlassen? Es ging nur darum, tiefer zu schürfen, seine versteckten Reserven zu finden. Als die Stewardess sein Tablett wegnahm, klappte er seinen Laptop auf und begann zu tippen, indem er die Tasten mit langsamen, steifen Zeigefingern runterdrückte. Das tat er immer, wenn was schiefging. Man legte sich heftiger ins Zeug. Ein weiterer Charakterzug seines

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