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Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
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Vaters. Wenn die Welt nicht tut, was wir wollen, müssen wir sie uns gefügig machen. Er ignorierte die winzigen Gestalten, die auf dem Fernsehbildschirm an seiner Armlehne herumwanderten, und tippte ein neues Unternehmensstatement, einen Arbeitsplan für die nächsten vierundzwanzig Stunden. Er bearbeitete ihn und feilte daran, bis er zunächst auf kurze Absätze, dann Sätze, dann einzelne Begriffe und schließlich auf vier einzelne Wörter zurückgestutzt war. Äußerste Verknappung. Totale Zusammenfassung:

    • Jamal
    • Geschenk
    • Office
    • Euro-Arschloch

    JGOE. Jay-go. Er setzte den Plan sofort in Gang, kaum dass er in Heathrow gelandet war.

    Jamal war ein eleganter junger Mann, der, aufgewachsen auf dem Stonebridge Park Estate in Harlesden, sein Leben mit weit bescheideneren Wahlmöglichkeiten begonnen hatte als Guy. Die Entscheidung, Pulver statt Klunkern zu verkaufen, brachte ihn in Kontakt mit einer exklusiven Klientel, und dieser Zugang, verbunden mit seiner sanften Art und seinem natürlichen Geschäftssinn, hatte ihn in die Lage versetzt, ein blühendes Einzelhandelsunternehmen aufzubauen, das die Medien, die Werbung, die Musikindustrie und juristische Kreise belieferte. Inzwischen lebte Jamal in einem windgepeitschten, bewachten Neubaugebiet in den Docklands, trug Prada und Armani und fuhr einen silberfarbenen Audi TT. Guy nahm vom Flughafen ein Taxi und ließ es warten, während er rasch zu Jamals Haus hinauflief, wo er ihn fand, wie er es sich gerade mit ein paar Freunden um einen Couchtisch bequem machte, auf dem vielleicht 10000 Pfund in bar herumlagen. Nachdem er seine Transaktion beendet und sich von Jamals Freunden verabschiedet hatte (die offenbar zumeist österreichisches Flugpersonal waren), sagte er dem Fahrer, er solle ihn nach Hause fahren.
    Der Taxifahrer laberte weiter über die Stromsperre, Verkehrsstaus, Leela Zahir und den Fußballverein Chelsea, wobei er seine eigenen Theorien über Computerkriminalität und »die Al-Qaidas« untermengte. Guy beugte sich vor und schob die Trennscheibe zu. Wie üblich stimmte ihn der Anblick der geschwungenen, in der Sonne blinkenden Glasfassade von In Vitro hoffnungsvoll. Er zahlte das Taxi, erwiderte den Gruß des mondgesichtigen osteuropäischen Wachmanns, begab sich durch die Vorhalle in den Aufzug und betrat nach einem kurzen vertikalen Zwischenspiel (währenddessen er sich vorstellte, er führe bis ganz hinauf zu dem noch immer leer stehenden Penthouse auf dem Dach des Hauses) seine Wohnung, bereit, sofort an die Arbeit zu gehen. Nach ein paar Minuten in der Küche mit Jamals Koks hatte er das Gefühl, er habe das Selbstvertrauen zurückgewonnen, das ihm durch die vergangenen paar Tage abhanden gekommen war. Er spürte wieder den Willen zu siegen.

    Geschenk. Es musste eindrucksvoll sein. Eindrucksvoll war die einzige Möglichkeit. Im Unterbewusstsein neigte Guy dazu, an Gabriella weniger als Partnerin, sondern eher als eine zu bewältigende Situation zu denken. Wenn er mit ihr zusammen war, fühlte er sich oft wie ein Lotse, der ein Schiff durch einen engen Kanal steuert, oder wie ein Polizist vor einer aufgebrachten Zuschauermenge. Obgleich er ihre Gefühlsäußerungen unverständlich fand, hatte er sie nach und nach zu Tugenden stilisiert und sich insgeheim von ihr ein Bild als »elementare« oder »unergründliche« Frau zurechtgelegt, Worte, die einen erotischen Klang hatten. Einmal hatte er versucht, ihr das zu erklären, indem er sie betrunken geküsst und ihr gesagt hatte, sie sei »irgendwie japanisch«. Statt es zu bestätigen, hatte sie ihm einen ihrer Blicke zugeworfen. Hilfsmittel für den Umgang mit ihr, die funktionierten, waren rar. Sie zum Beispiel anzuflehen, war unklug. Und da ihm zeitweilig die Phantasie ausging, griff er auf sein Standardmittel zurück, nämlich, mit Geld nach dem Problem zu werfen. Geld, so glaubte er, war etwas, das sie verstand. Wenn sie daran dachte, sich von ihm zu trennen, hatte vielleicht eine Kundgebung wirtschaftlichen Selbstvertrauens eine Chance, ihren Entschluss zu ändern.
    Er lief hin und her und überlegte, welche Möglichkeiten es gäbe, und als er merkte, dass er sich mehr auf das Laufen als auf das Nachdenken konzentrierte, ging er zum Computer, um sich inspirieren zu lassen, und tippte »teures Geschenk« in eine Suchmaschine. Nach einer Weile, in der er Dom-Perignon-Präsentkörbe, Feuchthaltebehälter in Perlmutteinlegearbeit, monogrammierte Schreibtischgarnituren und

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