Grayday
Haltung, und bei Tomorrow* ist das unser tägliches Brot.«
Direktorin Becker hob zu einer komplizierten Erläuterung der Entstehung von PEBA an, welche Einheit welches Direktoriums Personal für welche Arbeitsgruppe bereitgestellt hatte, welche interessierten Parteien Beobachter geschickt hatten, welche Fraktionen im Parlament auf welche Änderungen in der Gesetzgebungsstruktur Einfluss genommen hatten. Guy, der keinen Appetit hatte, bohrte seine Gabel in seinen Thunfisch-Carpaccio und versuchte, mit den Gedanken bei dem zu bleiben, was sie sagte. Es war nicht leicht. Der Fisch schimmerte vieldeutig, und mit einem Mal drängten sich, wie Fußballfans, die sich in eine U-Bahn quetschen, plastische Bilder in seinen Kopf. Jedes Einzelne von ihnen zeigte (aus Gründen, über die er sich, wie er wusste, eigentlich schämen sollte) Frau Direktor Becker in so einem dieser zweckmäßig geschnittenen blauen Badeanzüge, wie sie einst von den Mädchen seiner Schwesterschule in Gloustershire getragen wurden. Er hatte viel Zeit damit zugebracht, sich diese Badeanzüge bei gemeinsamen Sporttagen genau anzusehen. Von Marineblau verfärbten sie sich schwarz, wenn sie nass wurden.
Er musste sich in den Griff bekommen.
»… auf die Bildung einer gemeinsamen Grenzbehörde hin, die, während sie anfangs Mitgliedstaaten gestattete, in bestimmten Details ihrer jeweiligen Politik voneinander abzuweichen …«
»Das stimmt«, sagte er. »Yeah.«
»Wie bitte?«
»Entschuldigung, Monika. Fahren Sie fort.«
»Okay. Nun ja, bislang war die Entwicklung gut, und wir sind im Augenblick dabei, gemeinsame Aktionen unter der PEBA-Flagge durchzuführen, und so ist nun natürlich der Anreiz da, Schritte auf eine gemeinsame Erscheinung und Stimmung hin zu unternehmen, um die Verfahrensharmonisierung deutlich zu machen.«
»Was der Punkt wäre, wo wir ins Spiel kommen«, bemerkte Yves. Guy gab es mit dem Thunfisch auf. Er legte Messer und Gabel auf den Teller und goss sich noch etwas Wein ein.
»Soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten?«, fragte Bocca mit Verschwörermiene. »Monika ziert sich ein bisschen, was die PEBA-Umsetzung angeht. Wissen Sie, warum Gunnar nicht kommen konnte? Offiziell ist er in Helsinki wegen der Erweiterungskonferenz« – hier machte er eine kleine Pause und sah sich mit übertriebener Vorsicht um –, »aber in Wirklichkeit ist es noch viel aufregender. Heute findet der Start der Operation Atomium statt. Er ist in Paris und beobachtet die Aktion vom Kontrollzentrum der Polizei aus.« Er schlug triumphierend mit der Hand auf den Tisch wie ein Debattenredner, der gerade ein schlagendes Argument vorgebracht hat.
Guy verscheuchte alle Gedanken an enge Badeanzüge und gab seinem Gesicht einen interessierten Ausdruck. Was immer Bocca gerade erzählte, es machte ihn zweifellos glücklich, und damit war es wichtig für den Auftrag.
»Operation –?«
»Atomium.« Direktorin Becker lachte, wobei sie ihr Haar mädchenhaft nach hinten warf. »Es ist nur einer dieser Kleinjungennamen, die Polizisten ihren Projekten geben. Allerdings ist es ein wichtiges Projekt, das stimmt. Und der heutige Abend ist ein wichtiger Abend. Denn Signor Bocca …«
»Bitte, Monika. Gianni.«
»Denn Gianni hat die Katze aus dem Sack gelassen, das darf ich Ihnen, glaube ich, erzählen.« Sie drohte Yves und Guy streng mit dem Finger. »Sie werden doch nicht mit der Presse reden?«
Beide setzten ernste Gesichter auf, um zu demonstrieren, dass so etwas undenkbar wäre.
»Nun ja«, fuhr sie fort, »dies ist in Wirklichkeit der Name der ersten koordinierten PEBA-Aktion, die jetzt in diesem Augenblick in acht Hauptstädten stattfindet.«
»Was für eine Aktion?«
Bocca schob seinen Stuhl vom Tisch zurück und schlug die Beine übereinander. Er war als der mürrische Mann, der mit so bedrücktem Gesicht am Tisch gesessen hatte, nicht wiederzuerkennen. Er war entspannt, angeregt. Guy bemerkte, dass er rosablau karierte Socken trug. »Ein Schlag«, sagte er, indem er das Bild mit seinen Händen bekräftigte. »Ein koordinierter Schlag, der darauf zielt, bis morgen früh 5000 illegale Einwanderer von den Straßen zu bringen. Sie identifizieren, einem Verfahren unterwerfen und binnen zweiundsiebzig Stunden einen möglichst hohen Prozentsatz von ihnen in ihre Herkunftsländer zurückschicken. Das Ganze basiert auf der Nutzung gemeinsamer Informationen und findet unter der Flagge von PEBA statt. Wie finden Sie das?«
»Wow«, sagte Guy. Es schien ihm die
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