Grayday
Überschrift: Der Kontinent von gestern und Tomorrow*. »Und natürlich ist normalerweise der erste Kontakt, den die Menschen mit Europa haben, seine Grenzpolizei.«
»Genau!« Bocca schlug mit der Hand auf den Tisch, dass die Gläser klingelten wie ein Glockenspiel. Von den Unterhaltungen in der Nähe blickten einige Leute auf.
»Gianni«, mahnte Monika. »Bitte, Guy, fahren Sie fort.«
»Also, wir müssen für Europa werben als einen Kontinent, in dem man leben möchte, der aber nicht für jeden da ist. Ein Kontinent, der Leute braucht, aber nur die besten. Ein exklusiver Kontinent. Ein anspruchsvoller Kontinent. Und unsere entscheidende Idee ist, die Metaphern Muße und Freizeit zu benutzen, um diese Botschaft deutlich zu machen. Hier sehen Sie, was ich meine.«
Er griff in seine Mappe und zog ein paar Blankoschlüsselkarten heraus. Jede trug das EU-Blaugold auf der einen Seite, und in die andere waren die Worte Platin-Mitglied geprägt. Frau Becker und Signor Bocca drehten die Karten in ihren Händen.
»Meine Damen und Herren«, verkündete Guy mit rhetorischem Schwung, den er im Flugzeug geübt hatte, »willkommen im Club Europa – der VIP-Lounge der Welt.«
Direktorin Becker war sichtlich begeistert.
»Natürlich sind Sie mit Clubkultur vertraut, folglich wissen Sie, dass auf der richtigen Seite der Samtkordel zu sein für junge Meinungsbilder innerhalb und außerhalb der EU von großer Wichtigkeit ist. Es ist ein Gedanke, der ihnen vertraut ist. Ein Gedanke, den sie beachten, und wir meinen, er spricht sowohl den Bürger als auch den künftigen Europäer an. Es geht darum, die Botschaft zu übermitteln, dass man nur versuchen sollte, an unseren Türstehern vorbeizukommen, wenn man sozusagen die richtige Kleidung trägt. Wir haben einen kurzen Film gedreht, der unsere Argumentation verdeutlicht.«
»Guy«, sagte Yves, »warum zeigen Sie ihnen den nicht?«
»Jetzt? Sie möchten ihn jetzt sehen? Ich habe ihn auf meiner Festplatte.«
»Das wäre wunderbar«, sagte Frau Becker. Bocca nickte und machte eine aufmunternde Handbewegung.
Guy nahm den Laptop aus seiner Tasche und legte ihn auf die Tischdecke, wobei er sorgfältig Brotreste und Gläser beiseite räumte, um Platz zu schaffen. Er schaltete ihn ein, und während sie darauf warteten, dass er hochfuhr, reichte er die Skizzen seines Teams für die PEBA-Insignien und -Uniformen herum. Das Akronym der Grenzbehörde war als blaues Neonzeichen wiedergegeben, als ein Muster aus funkelnden Glühbirnen, und in mehreren Disko-Schriftstilen der siebziger Jahre gedruckt. Glatzköpfig-männliche und weibliche Beamte der Einwanderungsbehörde waren mit Kopfhörern und verspiegelten Sonnenbrillen dargestellt, und ihre futuristischen schwarzen Bomberjacken trugen auf dem Rücken ein gesticktes PEBA-Fallgitter-Logo.
»Sehr bemerkenswert«, sagte Frau Becker. Bocca wies darauf hin, dass Schwarzhemden vielleicht ein problematischer Anblick wären.
»Wir sind nicht auf Schwarz festgelegt«, versicherte ihm Guy. »Blau und Gold ist eine andere klare Möglichkeit.«
Inzwischen war der Laptop hochgefahren, er summte vor sich hin und zeigte einen sich drehenden Windows-Bildschirmschoner.
»Okay«, sagte Guy. »Ich suche nur eben die Datei. Wir nennen den Film: Europa – Keine Jeans, Keine Turnschuhe.« Er klickte auf das Ikon. Nichts passierte. Er klickte noch einmal, und der Bildschirm wurde schwarz. Statt der »DV-Odyssee durch das Clubland Europa«, die sein Kreativteam nach einer mörderischen transkontinentalen Sauftour zusammengebastelt hatte, hörte man das Stottern eines gequälten Festplattenlaufwerks und das blecherne Geheul indischer Musik, dann erschien eine deprimierend wohlbekannte kleine tanzende Gestalt.
»Scheiße«, sagte Guy. »Bitte, nicht jetzt. Oh, Scheiße.«
»Was ist los?«, fragte Monika. Sie spähte auf den Bildschirm herüber.
»Da stimmt etwas nicht«, bemerkte Bocca.
»Yeah, vielen Dank für den Hinweis.«
»Guy«, warnte Yves.
»Hoffentlich ist es nicht die zerstörerische Spielart«, sagte Bocca.
Guy merkte, dass er langsam in Panik geriet. Das Problem mit dem Virus sollte doch eigentlich längst gelöst worden sein. »Scheiße«, sagte er und hämmerte mit dem Finger auf den Einschaltknopf. »Scheiße.«
»Haben Sie die Nachrichten gesehen?«, fragte Monika jetzt Yves. »Der Täter wurde im Fernsehen gezeigt. Er ist so eine Art Stalker der Schauspielerin.«
»Beruhigen Sie sich, Guy«, sagte Yves. »Sie haben doch sicher
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