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Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
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Guy.
    »Informatik«, sagte Bocca, ohne aufzublicken.
    »Tatsächlich«, sagte Guy, der das Gefühl hatte, jeder Versuch, eine Beziehung zu diesem Mann zu knüpfen, sei von vornherein hoffnungslos. Bocca warf ihm einen boshaften Blick zu.
    »Die Informatikdimension ist von zentraler Bedeutung für das gesamte Harmonisierungsprojekt«, erklärte Direktorin Becker, die nach vorn langte und Guy zulächelte, der dankbar zurücklächelte. Überrascht stellte er fest, dass er sich fragte, wie sie wohl im Bett wäre.
    »Die Grenzfrage ist eine Informationsfrage«, bemerkte Bocca. Guy wusste nicht genau, was er meinte. Es hörte sich an wie ein Zitat.
    »Selbstverständlich«, sagte Yves.
    »Selbstverständlich«, stimmte Guy seinem Beispiel folgend zu. Er war verblüfft, als Bocca von seinen Händen aufblickte. »Finden Sie das auch?«, fragte er.
    »Unbedingt«, sagte Guy und versuchte, nicht mit den Zähnen zu knirschen. Der Kellner kam, um die Getränkebestellung aufzunehmen, und verschwand wieder, während Bocca mit der plötzlichen Heftigkeit eines Menschen, der das Gefühl hat, er habe vielleicht endlich in der Welt Freunde gefunden, Guy und Yves mit einem hoffnungsvollen Blick fixierte und zu einem Vortrag über die zentrale Bedeutung der Informationstechnologie für ein modernes Zoll- und Einwanderungssystem ausholte.
    »Ich glaube«, sagte er mit gedämpfter Leidenschaftlichkeit, »es ist das wichtigste Werkzeug, das wir besitzen. Eine gemeinsame europäische Grenzbehörde muss eine gemeinsame Informationssammlung und -abfrage besitzen. So viel ist klar. Ansonsten findet man einen Terroristen oder Wirtschaftsimmigranten in einem Land und verliert ihn wieder aus dem Auge, wenn er in ein anderes hinüberwechselt. Jeder Vorschlag zur Einführung unserer Grenzpolizei muss die Informationsdimension enthalten.« Er klopfte auf den Tisch, um seinen Standpunkt klarzumachen. Der Kellner kam mit einer Flasche Wein zurück, die Bocca prüfte, wobei er in sein Glas starrte, als wäre es ein clandestino, der in seinem Mund Arbeit zu finden versuche.
    Guy schüttete den Wein dankbar in sich hinein, während er Bocca zustimmend zugrunzte, als der den enormen Wert des Schengener Informationssystems bei der Kontrolle illegaler Migrationen beschrieb. »Das Problem mit diesen Leuten ist: Sie lügen, sie vernichten ihre Papiere. Es ist unmöglich zu erfahren, wer sie sind. Sie sagen, sie kommen aus einem Kriegsgebiet, aber in Wirklichkeit wollen sie nichts weiter, als einem Bürger seinen Arbeitsplatz wegzunehmen. Aber wenn man die Datenbank mit biometrischen Daten kombiniert, kann man die Lügen aufdecken.« Er unterstrich seinen Standpunkt mit einem klatschenden Schlag in die Hände und lehnte sich mit dem Ausdruck äußerster Entschiedenheit auf seinem Stuhl zurück.
    »Sie haben vollkommen Recht«, sagte Guy und goss sich ein zweites Glas ein. »Und wir sind auf diesen Aspekt der Rolle von PEBA mit unserer kreativen Arbeit bei Tomorrow* eingegangen.«
    »Tatsächlich?«, fragte Frau Becker.
    Wieder lächelte sie ihn an. Wie alt sie wohl war? Fünfzig? Fünfundvierzig? Er trank noch einen kräftigen Schluck Wein. »Tatsächlich. Meinem Team ist nämlich klar geworden, dass im einundzwanzigsten Jahrhundert die Grenze nicht mehr bloß eine Linie am Boden ist. Sie ist sehr viel mehr als das. Da geht’s um Status. Da geht’s um Möglichkeiten. Klar, man ist entweder drinnen oder draußen, aber man kann drinnen und trotzdem draußen sein, stimmt’s? Oder draußen sein und nach drinnen gucken. Wie dem auch sei, in einem unserer Videos heißt es: ›Die Grenze ist überall.‹ ›Die Grenze‹, und das ist der Schlüsselgedanke, ›ist in deinem Kopf.‹ Es liegt auf der Hand, dass vom Standpunkt des Marketings aus gesehen eine mentale Grenze ein Plus ist, weil eine mentale Grenze ein Wert ist, und ein Wert ist etwas, wofür wir Werbung machen können.«
    »Es freut mich, dass Sie die Dinge in diesem Licht sehen«, sagte Frau Direktor Becker, die auf Guy wie eine Frau wirkte, die aus ihrer Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio wirklichen Nutzen zog. »Diese Sicht auf die Jugend gefällt mir sehr gut. Wir haben große Schwierigkeiten, der Jugend Staatsbürgerbewusstsein beizubringen.«
    »Oh, zweifellos«, stimmte Guy zu. »Staatsbürgerbewusstsein handelt davon, einer in der Clique zu sein, oder wie wir bei Tomorrow* gern sagen: ›drinnen bei der In-Clique‹. Wie jeder weiß, ist drinnen bei der In-Clique zu sein eine Frage der

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