Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
Vom Netzwerk:
kehrte an seinen Schreibtisch zurück.
    In seinem Posteingang warteten zwei E-Mails auf ihn.

    An: [email protected]
    Von: [email protected]
    Betreff: Vorwürfe

    Vorwürfe sind SINNLOS. Sie müssen begreifen, es ist NIEMANDES SCHULD. Vom kosmologischen Standpunkt aus betrachtet hat das nur eine SEHR GERINGE BEDEUTUNG. Seien Sie sich bewusst, dass mir UMFASSENDE persönliche Sicherheitsmaßnahmen zur Verfügung stehen. D8rr{l

    An: [email protected]
    Von: [email protected]
    Betreff: alles in Ordnung?

    Habe neuigkeiten gehört. Tut mir schrecklich leid. Sehn wir uns nach der arbeit? Xc

D ieser Scheißkerl.« Es war ihr Ernst. Sie war immer der Meinung gewesen, Darryl sei ein Arschloch. »Er konnte dir nicht mal allein gegenübertreten. Aber das überrascht mich nicht. Du weißt ja, wie er mit Leuten umspringt.«
    Sie hatten den Wagen in der Nähe des Sees am Ende einer Privatstraße geparkt, die zu einem Segelclub gehörte. Vor ihnen führte eine Helling hinunter ins Wasser. Ein Stückchen weiter draußen gammelten Leute, die es sich leisten konnten, am Mittwoch blauzumachen, auf Katamaranen herum. Chris war mit Arjun hierher gefahren, weil sie gehofft hatte, die Aussicht würde ihn vielleicht beruhigen. Sie versuchte sich ihrer Verantwortung zu stellen. Er machte es ihr nicht leicht.
    »Wenigstens habe ich dich«, sagte er mit Bestimmtheit.
    »Sicher.« Sie nickte misstrauisch. Seine Augen waren gerötet. Davor hatte er unentwegt an seinen Kleidern herumgezupft und in einem gebrochenen Mischmasch aus Englisch und möglicherweise Hindi vor sich hingebrabbelt. Chris fand seine Verfassung Besorgnis erregend. Sie war ihm die ganze Woche aus dem Weg gegangen, und das hätte sie auch noch gern länger durchgehalten. Aber als sie hörte, er habe seinen Job verloren, meldete sich ihr schlechtes Gewissen zu Wort und sagte, sie sollte mal nach ihm sehen. Karmamäßig gesehen war es genau das Richtige.
    Er sprach unablässig vom Zurückgehen. Sie nahm an, er meinte, nach Indien, aber das war nicht klar. Sie würden versuchen, ihn zum Zurückgehen zu zwingen, aber das sei unmöglich. Er würde es IHNEN zeigen. Er würde SIE zwingen, Vernunft anzunehmen.
    »Ich denke«, erlaubte sie sich einzuwerfen, wobei sie ihre Worte sorgfältig wählte, »die Sache ist gelaufen.«
    Er guckte mürrisch und sagte: »Das ist nicht wahr.« Nur das. Endgültig und bestimmt. Was sie noch mehr beunruhigte.
    Seit dem Wochenende hatte sie viel nachgedacht. Nicht über Arjun im Besonderen. Auch über ihre Beziehung mit Nicolai. Sie und Nic hatten immer versucht, jeweils das Wunschbild des anderen zu verkörpern. Das war ihre Abmachung, das, was sie zusammenhielt. Keine Kompromisse, alles möglich, alles erlaubt. Es wurde manchmal anstrengend, vor allem, wenn andere hineingezogen wurden, aber es war ihr immer als eine mutige Entscheidung vorgekommen. Sie gestalteten ihr Leben, wie es gerade kam, und spielten nach ihren eigenen Regeln. Und oft funktionierte es, was mehr war, als man von den Beziehungen der meisten Leute sagen konnte.
    Erst in letzter Zeit hatte es den Anschein gehabt, als würde sie Nics Nerven über Gebühr strapazieren. Er war sauer auf sie, und das wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht. Sie hatte das Gefühl, ihn zu verlieren. Arjun war ein Symptom, aber es hatte für sie wichtigere Affären gegeben, und für Nic, vermutete sie, ebenfalls. Vor einiger Zeit hatte sie was mit jemandem gehabt, das eine ernste Geschichte zu werden drohte. Nic wusste davon oder ahnte zumindest, dass zwischen ihr und dem anderen, einem Toningenieur, etwas lief. Er sagte nichts, wartete ab.
    Er war ein ruhiger Typ, Nic, manchmal fast zu gelassen, aber er hatte Probleme, und von ihr erwartete er, dass sie zu ihrer Lösung beitrug. Lange hatte sie ihn ziemlich beschissen behandelt; jetzt war es Zeit, auf ihn zuzugehen. Das war es, was sie beschlossen hatte. Sich zu bekennen. Und als sie hörte, Arjun sei gefeuert worden, hatte sie unter anderem auch Erleichterung empfunden. Eine Nacht mehr, die sie nun würde vergessen können. Arjun würde verschwinden, und das würde es einfacher für sie machen, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Eine gefühllose Haltung, das wusste sie. Sie wusste auch, dass alles, was passiert war, ihre Schuld war. Sie war Arjun etwas schuldig. Eine Schulter. Er war schließlich ein Freund gewesen. Und so kam sie, las ihn auf und setzte ihn in ihr Auto. Sie hatte erwartet, dass er durcheinander wäre, aber doch nicht

Weitere Kostenlose Bücher