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Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
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seinen Ausweis durch den Schlitz, um ins Labor eingelassen zu werden. Clay trat hinter ihn und gab ihm einen Klaps auf den Rücken.
    »Ich möchte dir nur sagen, es tut mir Leid, Mann. Du bist ein guter Mann. Ist ’n Jammer.«
    Der Türverschluss öffnete sich mit einem Klicken.
    »Was ist ein Jammer?«
    Clay kriegte große Augen. »Na ja, Darryl möchte dich sprechen, und deshalb …« Er zuckte die Achseln. »Du verstehst.« Ehe Arjun weitere Fragen stellen konnte, war der junge Kollege in den Birkenstock-Sandalen schon verschwunden.
    Tatsächlich war eine Nachricht seines Chefs da, als Arjun sein Terminal einschaltete. Eine offizielle Zusammenkunft. Um 16 Uhr. Er fand noch etliche andere Mitteilungen, in allen wurde er gebeten, Geld zu Abschiedsgeschenken für Leute beizusteuern, die er nicht kannte. Eine neue Mail kam herein, diesmal von Aamir.

    bhai – schlechte neuigkeiten auf cnet gesehen du warst so ein Superstar und alles ich bin sicher es betrifft dich nicht siehe süßes girl im anhang – p a

    Das süße Girl war von der Firmensoftware herausgefiltert worden, aber Arjun hatte über andere Dinge nachzudenken. Schlechte Neuigkeiten? Als er bei Darryl Grant anklopfte, hatte er die Berichte gelesen und drei seiner Kollegen in das Büro hineingehen und mit starren Gesichtern herauskommen sehen. Er fühlte sich wie betäubt. Es war nicht möglich. Das doch nicht.
    Es waren zwei Leute drin. Darryl und eine Frau. Die Frau war nicht von der Forschungsabteilung. Das sah man, weil sie ein Kostüm trug. Das Kostüm war gut geschnitten und dunkelgrau und wies als Accessoire nur eine schlichte Perlenkette auf. Forsch und gut aussehend das Gesicht darüber, dessen sehr gepflegte Haut von einem adretten blonden Bubikopf umrahmt wurde. Die Frau lächelte Arjun an und blickte hinüber zum Chef in der Erwartung, er werde sie einander vorstellen. Darryl sah nicht so aus, als sei er dazu imstande. Er hatte sich zu einer Art Kugel in seinem Bürosessel zusammengerollt und seine Ghostbusters-Mütze tief ins Gesicht gezogen. Unter ihr starrte er gebannt auf seine SETI-Gürtelschnalle und drehte sich auf seinem Sessel hin und her, indem er sich mit den Händen von der Schreibtischplatte abstieß.
    Die Frau seufzte. »Guten Tag, Mr. Mehta«, sagte sie. »Danke, dass Sie so prompt reagieren. Mein Name ist Jennifer Johanssen, ich bin stellvertretende Personalchefin von Virugenix. Die Zentrale hat mich gebeten, hierher zu kommen und bei den heutigen Belegschaftsgesprächen behilflich zu sein. Mr. Grant hier hat mich über Ihre Leistungen instruiert. Ich weiß, dass er Ihre Arbeit im Antivirus-Forschungsteam sehr hoch einschätzt.« Sie machte eine Pause und wandte sich Mr. Grant zu, der an seinem Bart herumfingerte und sich auf seinem Sessel immer schneller hin und her drehte.
    Die Zusammenkunft schien in weiter Ferne stattzufinden. Arjun war nur ein Beobachter, ein Wissenschaftler, der hinter einer Glasscheibe dem Fortgang eines Experiments zusah. Durch die Weite des Raums klang die Stimme von Jennifer Johanssen beruhigend und kompetent, wie eine Feuchtigkeitscreme, die die Schmerzen und Wunden der Worte, die sie äußerte, lindern sollte. Aamir würde sie mögen, dachte Arjun. Sie ist sein Typ.
    »Während Ihrer Zeit hier«, psalmodierte die Aloe-vera-Stimme, »haben Sie zu Qualität und Wert der Firma beigetragen.« Dann sprach sie eine Weile über Mitgefühl. Der Raum kam ihm kalt vor. Vielleicht werde ich krank, dachte Arjun und betastete die Drüsen rechts und links an seinem Hals. Die Stimme redete über Glücksumschwünge und die Minimierung von Negativergebnissen. Sie redete über den unumstößlichen Wunsch des Vorstands nach Führung und finanzpolitische Verantwortung auf allen Ebenen. Sie redete darüber, dass, wer zuletzt kommt, zuerst geht.
    Er hörte das Wort »Realität«.
    Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Das hier war nicht seine Geschichte. Es war nicht seine Geschichte, weil seine Geschichte so nicht verlief. Da hatte sich ein Fehler eingeschlichen.
    »Da ist ein Fehler unterlaufen«, sagte er.
    Jennifer Johanssen nickte, als wolle sie damit ausdrücken, dass sie, ja, durchaus einsehe, warum er so dächte. Dann schüttelte sie den Kopf, als wolle sie damit ausdrücken, dass, nein, er sich dennoch irre.
    »Mr. Mehta, ich verstehe, wie Sie sich fühlen«, sagte sie. Sie war wirklich schön. Man konnte sie sich bei sportlichen Aktivitäten im Freien wie Skilaufen oder Segeln auf einem Katamaran

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